BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
und her, bevor sie ihr Gesicht an seinem Hals vergrub und weiterschlief. Seine Hände und Füße, Gesäß und Rücken spürte er kaum mehr vor Kälte und der unbequemen Haltung. Etwas weiter vorn kam Bewegung in einen Schlafsack. Nach und nach erwachte der Bahnhof. Müde Gesichter, strubbelige Frisuren. Die meisten schienen Manzano Dauergäste der Straße zu sein, mit verwitterten Antlitzen und verfilzten Haaren.
Nach Brüssel nicht einmal eineinhalb Stunden mit der fahrplanmäßigen Verbindung, dachte er. Zu Fuß über zwei Tage. Sanft wiegte er Shannon, flüsterte ihr erneut ins Ohr, bis sie die Augen aufschlug.
Sie blinzelte ihn an.
»Albtraum«, ächzte sie.
»Hattest du?«
»Nein, mit dem Aufwachen bin ich wieder in einen gekommen.«
Sie blieb noch einen Moment sitzen, dann erhob sie sich schwerfällig, streckte sich ausgiebig. Manzano versuchte es auch, spürte das verletzte Bein.
»Und jetzt?«
»Muss ich mal.«
»Ich auch.«
Nachdem sie diesen Teil in getrennten Ecken erledigt hatten, wanderten sie über den Bahnsteig auf der Suche nach einer Landkarte oder anderen Hinweisen, wie sie nach Brüssel gelangen konnten.
Sie fragten einige der Personen, die ebenfalls ihren Tag begannen.
»Kommen hier Züge durch?«
»Ganz selten. Güterzüge«, erwiderte einer.
»Wohin fahren die?«
»Keine Ahnung.«
»Bekommt man in der Nähe etwas zu essen?«
»In der Straße vor dem Bahnhof gibt es eine Suppenküche. Hat aber nicht immer offen.«
Die hatten sie gestern nicht gesehen. Sie ließen sich den Weg beschreiben. Beeilten sich. Trafen auf eine Warteschlange, die sich um den halben Häuserblock wand.
Eine Stunde später saß Shannon neben Manzano in einem Raum, der von einem Kohlenofen geheizt wurde. Bei der Essensausgabe hatte sie niemand ausgehorcht, jeder hatte zwei große Schöpflöffel Gemüsesuppe in einen Blechnapf bekommen, die sie, an langen Tafeln zwischen die anderen gedrängt, Schluck für Schluck tranken. Löffel hatten sie keine erhalten.
Die Menschen redeten nicht viel. Die meisten trugen mehrere Kleidungsschichten übereinander, ohne Rücksicht auf Stil oder Eleganz. Wer mit seiner Suppe fertig war, wurde von Betreuern aufgefordert, seinen Platz für die nächsten Esser freizugeben, was dazu führte, dass die meisten sehr lange für das Leeren ihres Napfes brauchten, während andere zwischen den vollen Bankreihen umherirrten. Auch Shannon und Manzano beeilten sich nicht. Die Kälte der vergangenen Nacht wich nicht so schnell aus ihren Gliedern.
Aber nach mehrfacher Aufforderung standen sie schließlich wieder in der Kälte draußen. Aus dem Haus gegenüber trugen vermummte Gestalten Möbel und elektrische Geräte. Sie sahen nicht wie die Hausbesitzer aus. Niemand interessierte sich für sie.
»Was machen die da?«, fragte Shannon.
»Ich fürchte, darum können wir uns nicht kümmern«, antwortete Manzano. »Wir haben Wichtigeres zu tun. Komm, zurück zum Bahnhof.«
Dort lief er die Gleise auf und ab, entschied sich schließlich für eine Richtung und zog Shannon mit sich. Nach etwa zweihundert Metern kamen sie unter einer Brücke durch, dahinter teilten sich die Gleise in mehrere Spuren. Zwei davon verschwanden in Gebäuden, die anderen liefen nach einigen hundert Metern wieder zu wenigen Gleisen zusammen. Dazwischen parkten Dutzende verschiedene Schienenfahrzeuge, von einfachen Lokomotiven über Teile von Regionalzügen und Güterwaggons bis zu seltsamen Konstruktionen, die wohl dem Gleisbau oder der Reparatur dienten. Eine sah sogar aus wie ein kurzer, gelber Lastwagen, der auf Schienen fahren konnte.
Manzano kletterte neben der Fahrertür hoch, versuchte, sie zu öffnen. Gleich darauf saß er hinter dem Steuer und untersuchte die Armaturen.
Shannon beobachtete ihn von der Leiter neben der Tür aus skeptisch.
»Braucht das Ding keinen Strom?«
»Nein. Fährt mit Diesel.«
»Wenn der Tank nicht leer ist.«
Unterhalb der Armatur demontierte Manzano eine Abdeckplatte, hinter der ein Kabelsalat auftauchte. Er überprüfte die Drähte, riss daran herum, verband einige neu, und auf einmal sprang mit lautem Stottern der Motor an.
»Worauf wartest du?«, fragte er. »Sieh nach, ob es hier so etwas wie einen Streckenplan gibt.«
»Hat der kein Navigationssystem?«, fragte sie, sprang hinein, setzte sich auf den Beifahrersitz, durchsuchte eine Art riesiges Handschuhfach, bis sie ein dickes Buch fand, das voll war mit Diagrammen und Landkarten.
»Da ist es ja!«
Manzano testete, ob
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