Blacksoul - In den Armen des Piraten
Kabine war bis auf diese Sitzmöbel und einen großen Schreibtisch eher spartanisch eingerichtet. Josie vermied geflissentlich den Blick auf das hinter einer Holztrennwand hervorlugende Nachtgeschirr.
Zuvorkommend schenkte Henderson ihr ein Glas Wein ein und nahm schließlich ebenfalls Platz. Mit einer freundlichen Handbewegung forderte er Josephine auf, ihr Anliegen zu erklären.
„Captain Henderson, ich hatte nicht vor, Euch zu stören, aber ich kann nirgendwo den Schiffsarzt finden.“
Ehrlich besorgt heftete der Kapitän seinen Blick auf Josies blutunterlaufene Gesichtspartie.
„Geht es Euch noch nicht besser? Ihr seht, wenn Ihr die Feststellung erlaubt, heute schon viel besser aus als gestern. Da hätte ich euch beinahe für einen raufenden Gossenjungen gehalten.“
Beschämt errötete Josie und senkte den Blick auf ihre im Schoß gefalteten Hände.
„Das lag sicherlich zu einem guten Teil auch an der abgetragenen Kleidung. Es ist ja kein Wunder, dass Ihr mich in den Fetzen gestern nicht als Frau erkannt habt.“
„Dieser Irrtum würde mir heute nicht mehr unterlaufen“, gestand Henderson, als er die Frau vor sich näher betrachtete. In dem maisgelben, kurzärmeligen Kleid, den dazu passenden Spitzenhandschuhen und den braunen Locken, die ihr sanft auf den Rücken fielen, war Josephine Legrand eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte. Ihre sonnengebräunte Haut betonte noch das Leuchten ihrer goldenen Augen. Einzig dieser grässliche Bluterguss vermochte es, seine Aufmerksamkeit von ihren vollen Lippen abzulenken.
„Oui, ich bin Euch wahrlich zu Dank verpflichtet, dass Ihr einen Eurer Männer beauftragt habt, im Hafen noch passende Kleidung für mich aufzutreiben. Wäre es doch wirklich unangenehm gewesen, die Reise in diesen unpassenden Kleidern antreten zu müssen. Ihr könnt mir glauben, in der Nacht des Aufstandes war ich froh um die Hose und das Hemd des Burschen aus der Hafentaverne. Mein Kleid war ruiniert, blutbefleckt – und dann der Gestank nach brennendem Zuckerrohr. Et puis, mein Vater wäre sicherlich bei meinem Anblick in den Hosen alles andere als erfreut gewesen.“
„Es freut mich, dass wir dieses Problem so leicht lösen konnten. Aber was bedrückt Euch denn heute? Ihr fragtet nach dem Arzt?“
„Ah oui, das ist richtig. Mir geht es zwar, von meinem schmerzenden Kopf einmal abgesehen, schon wieder besser, aber der arme Monsieur Sabatier leidet noch immer unter enormer Übelkeit. Ich muss darauf bestehen, dass sich der Arzt seiner annimmt.“
Henderson nickte verständnisvoll und erhob sich. Er trat ans Bullauge und warf einen Blick hinaus. Nicht mehr lange bis zum Abendessen. Vielleicht sollte er sich die Zeit bis dahin in der angenehmen Gesellschaft dieser reizenden Lady versüßen.
„Der Schiffsarzt ist auch zugleich unser Mann in den Segeln. Ich werde ihm auftragen, sich um Euren Begleiter zu kümmern, sobald seine Schicht zu Ende ist. Einen reinen Schiffsarzt gibt es heute nur noch bei der Marine. Wir leben in friedlichen Zeiten, Mademoiselle“, erklärte er, während er ihr galant den Arm bot und sie aus seiner Kabine auf Deck geleitete.
„Bitte entschuldigt, wenn ich das bestreite. In friedlichen Zeiten hätten uns die Sklaven sicher nicht das Dach über dem Kopf angezündet. Und, was sie der armen Familie Orino angetan haben, ... c´est l´horreur“, widersprach Josie aufgebracht.
„Wie unbedacht von mir. Verzeiht, wenn ich Euch an diese schrecklichen Dinge erinnert habe.“
„Aber nicht doch. Es bedarf nicht erst Eurer Worte, das Grauen dieser Nacht lebendig werden zu lassen. Wann immer ich die Augen schließe, verfolgt es mich.“
Henderson führte die Französin an die Reling und hoffte, der Sonnenuntergang würde die junge Frau aufmuntern.
Eine Weile standen sie schweigend da und ließen ihren Blick über die in der goldenen Abendsonne funkelnde See schweifen.
„Wie lange werden wir unterwegs sein?“, fragte Josie schließlich.
„Nun, Mademoiselle, sicher nicht allzu lange. Ich rechne mit gutem Wetter, und unser Weg hat uns bisher sehr zügig an den British Virgin Islands vorbeigeführt. Nun befinden wir uns etwa auf Höhe von Kap Haïtien. Noch vor wenigen Jahren hat es hier überall von Piraten und Freibeutern nur so gewimmelt. Aber seit dem Ende des Unabhängigkeitskrieges ist es sicherer geworden.“
Josephine ahnte, dass Henderson sie mit seinen Ausführungen beeindrucken wollte, und, obwohl sie ihm nur mit einem Ohr
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