Blaine McCracken 6: Der Tag Delphi
ihn schon aus dem Spiel nahm. Vielleicht schaffte er es, mit dem, was er bei sich trug, ein oder zwei Panzer mitzunehmen.
Er wartete, bis die beiden Panzer mit ihm auf gleicher Höhe waren, und wollte bereits lospreschen, als ein fernes, wummerndes Geräusch ihm zum Himmel aufblicken ließ.
Und er sah das Wunder, das er so dringend brauchte.
»Was?« brüllte General Cantrell und schaltete per Fernbedienung ein einziges Bild auf den Monitor. »Das ist doch unmöglich … Das ist einfach unmöglich!«
Die Augen des Präsidenten glänzten feucht vor verständnisloser Dankbarkeit. Charlie Byrne war in seinem Sitz zusammengesunken und fiel beinahe in Ohnmacht. Angela Tafts Grinsen breitete sich über ihr ganzes Gesicht aus.
Der große Bildschirm zeigte Fallschirmlandetruppen, die aus dem Bauch eines Transportflugzeugs durch die Nacht fielen. Auf der Maschine stand in roten Lettern die Aufschrift ›POLIZEIBRIGADE‹. Die Fallschirme öffneten sich mit einer anmutigen und eleganten Bewegung und schwebten auf die offene Fläche des West Potomac Parks hinter dem Lincoln Memorial zu.
Achtunddreißigstes Kapitel
Auf die Puppen, die zuerst abgeworfen worden waren, wurde nur von der Spitze des Washington Monuments aus geschossen. Colonel Tyson Gash von der Polizeibrigade nahm die nicht angezündete Zigarre aus dem Mund und sprach mit der ihnen folgenden C-130.
»Heiland Zwei, feindliche Stellung auf der Spitze des Monuments. Unter Beschuß nehmen!«
»Das Monument unter Beschuß nehmen, Sir?«
»Das ist ein Befehl, Mann! Wir müssen unsere Leute sicher runterbringen.«
»Roger, Sir.«
Als Heiland Zwei unter dem Flaggschiff der Polizeibrigade abdrehte, nahm der Bordschütze die Spitze des Washington Monument mit den beiden auf den Flügeln befestigten 20-Millimeter-Vulcan-Minikanonen der C-130 unter Feuer. Mit beiden Daumen drückte er die roten Feuerknöpfe. Dreihundert Metallgeschosse verließen die zwei mal sechs rotierenden Mündungen, während der Schütze die Augen geschlossen hielt. Er öffnete sie erst wieder, als die C-130 ihr Ziel überflogen hatten.
Die Vulcan-Geschütze hatten den oberen Teil des Denkmals glatt abrasiert. Die zulaufende Spitze des Obelisken war verschwunden, so daß der Stein mit einem gezackten Rand aufhörte. Die drei Stockwerke darunter waren von dem 20-Millimeter-Feuer geschwärzt worden und sahen aus, als würden sie beim nächsten Windstoß zusammenbrechen.
»Einsatzleiter, hier ist Heiland Zwei«, sprach der Pilot in sein Helmmikrophon. »Die Luft ist rein.«
Gash gab das Signal zur Landung, und die vier Transporter hinter ihm spuckten die kampfbereiten Soldaten aus. Ursprünglich hatte er beabsichtigt, die Schlacht über der Stadt vom Flaggschiff aus zu leiten. Aber ein Blick auf das Inferno, das sich in der ramponierten Hauptstadt der Vereinigten Staaten ausbreitete, hatte ihm den Magen umgedreht. Dies war der Augenblick, für den er fünf Jahre lang seine Männer trainiert hatte. Dies war die Schlacht, in der seine Polizeibrigade früher oder später kämpfen mußte. Er hatte die Nachricht, die vor sieben Stunden von Johnny Wareagles Pilot überbracht worden war, mit Begeisterung und Genugtuung aufgenommen. Das Land brauchte ihn also doch. Aber seine Begeisterung schwand beim Anblick der brennenden Hauptstadt und ließ nur Haß und Abscheu zurück.
Gash warf die Zigarre weg und ging nach hinten zu seinen Männern, die mit dem nächsten Schub das Flaggschiff verlassen würden.
»Wir werden diese Arschlöcher am lebendigen Leibe braten«, brummte er einem seiner Sergeanten zu. »Und wir werden jede einzelne Sekunde genießen.«
McCracken sah noch immer zu einem Schwarm von schwarzen Fallschirmen hoch, die sich in gerader Linie über dem West Potomac Park öffneten. Ein zweiter Transporter mit der roten Aufschrift ›POLIZEIBRIGADE‹ flog über ihn hinweg.
Es war Tyson Gash, der zweifellos von Johnny Wareagle über die Vorgänge informiert worden war!
Gashs Fallschirmtruppen gingen in geordneter Formation herunter, wie im schwachen Feuerschein des Washington Monument zu sehen war. Die Landung konzentrierte sich südlich des Lincoln Memorial an der Independence Avenue. Blaine überlegte, daß Gash und die Brigade jetzt unbedingt eine schnelle Aufklärung über die Lage brauchten. Also machte er sich über die Mall auf den Weg zu den Einheiten, die sich vermutlich bereits zu Vorstoßtrupps formiert hatten.
Er lief mit neuer Hoffnung. Die Midnight Riders hatten es
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