Blau wie Schokolade
brach die Stimme.
Sekunden später standen wir oben auf der Bühne. Die Scheinwerfer richteten sich auf uns, Becky hielt das Mikrophon in der Hand.
Soman umarmte sie, setzte sich ans Schlagzeug und legte los.
Emmaline zupfte an den Saiten.
Ich legte den Bogen auf die Geige.
Bradons Finger tanzten über die Tasten.
Olivia schlug das Tamburin.
Und Becky starrte ins Publikum. Steif und still.
Alle hielten inne.
Becky drehte sich zu Soman um. Er blies ihr einen Kuss zu. In seinen Augen stand die Angst.
Beckys Blick war ebenso panisch. Donovan erhob sich und sang, ermutigend lächelnd, die ersten Noten.
Soman schlug wieder den Takt am Schlagzeug.
Emmaline spielte die Gitarre.
Ich legte den Bogen auf die Geige.
Bradons Finger griffen in die Tasten.
Olivia schlug das Tamburin.
Und wieder brachte Becky keinen Ton heraus.
Du lieber Gott, dachte ich. Donovan legte erneut los, näherte sich der Bühne.
Was tun? Ich ging zu Becky, die Geige spielbereit. »Lauf wie ein Vogel, Becky, wie ein Vogel!«
Sie wusste, was ich meinte.
»Sing dir die Kehle aus dem Hals!«
»Das wäre jetzt besser, oder?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
»Ja, Süße, es wäre besser. Für dich. Für deine Zukunft. Um deine Vergangenheit hinter dir zu lassen. Sing dir die Kehle aus dem Leib!«
Ich sah ein Blitzen in ihren Augen, ein mutiges Funkeln, ein Leuchten der Entschlossenheit, vielleicht des Triumphs, dann drehte sich Becky lächelnd dem Publikum zu. Es war ein niedliches, frisches Lächeln.
Ich nickte Soman zu, und er trommelte los. Emmaline spielte Gitarre, ich Geige. Bradons Finger tanzten über die Tasten. Olivia schlug das Tamburin. Doch jetzt öffnete Becky endlich den Mund, und ich schwöre, es ertönte eine Stimme, die den göttlichen Chor der himmlischen Heerscharen in den Schatten gestellt hätte.
Wir hatten natürlich in der Gruppe geübt, aber bei den Proben hatte Becky nicht einmal die Hälfte der Kraft in ihre Stimme gelegt.
Sie haute die Kneipe fast um. Es wurde mucksmäuschenstill, die Leute stellten ihre Gespräche ein und lauschten ihr, ganz wie im Film.
Als das Lied zu Ende war, schaute Soman zur Decke hinauf, als danke er Gott. Bradon und Olivia blickten sich mit großen Augen an. Emmaline blieb reglos stehen. Das Publikum schwieg, was mir Angst gemacht hätte, wenn ich zu dem Zeitpunkt noch hätte denken können. Doch ich wurde von Erleichterung überflutet.
Becky konnte nicht einfach nur gut singen. Sie sang meisterhaft. Absolut brillant.
Sie schob das Mikrophon zurück in den Ständer und wollte die Bühne verlassen. Ihren Kopf hielt sie höher als je zuvor.
Ich folgte ihr wie in Trance, die Geige im Arm. Bradon, Olivia, Emmaline und Soman tappten mir hinterher.
Und da setzte der Applaus ein, zuerst zögerlich, als hätten alle gerade erst gemerkt, dass dieses großartige Lied verklungen war, und seien erwacht. Das Publikum begann zu jubeln und zu klatschen und auf die Tische zu trommeln, und als ich mich umdrehte, waren alle in der Kneipe aufgesprungen, auch der fesche Donovan und mein umwerfender Jay.
Wir spielten noch zwei Songs, Becky und ihre Band, oben auf der Bühne in der dunklen Kneipe. Jedes Mal bekamen wir stehende Ovationen. Beide Lieder hatten wir zusammen geprobt, ehe wir uns auf eines für Becky geeinigt hatten. Als Zugabe spielten wir einfach noch mal das erste Lied, und wenn das möglich war, schmetterte Becky es noch besser als zuvor, aber diesmal lachte sie dabei und rief ins Publikum: »Und jetzt alle! Singt euch die Seele aus dem Leib!«
Alle Zuschauer in der Kneipe liefen zur Bühne und sangen sich die Seele aus dem Leib. Mitten in dem Lied schnürte sich mir die Kehle zu.
Als das Lied verklang, küsste ich meine Geige.
26 . KAPITEL
Eine Woche später, Jay war zur Gouverneursversammlung nach Boston geflogen, bekam ich einen Anruf von Charlie. Er hatte ein Problem. Seine besorgte Stimme traf mich tief ins Herz.
»Ich komme und hole die Kinder«, erbot ich mich.
»Was?«
Warum klang Charlie so entsetzt? »Ich habe gesagt, ich komme und hole die Kinder zu mir. Es sind doch Schulferien, oder nicht?«
»Ja, aber …« Ich sah vor mir, wie Charlie an der Locke auf seiner Stirn zupfte. Deidre war im Krankenhaus und würde in wenigen Stunden am Blinddarm operiert werden. Die Ärzte waren besorgt, dass er bereits geplatzt sein könnte. Charlie war bei seiner Frau. Eine Nachbarin passte auf die Kinder auf.
»Würdest du das wirklich tun, Jeanne?« Ich hörte die Hoffnung
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