Blau wie Schokolade
Nachricht für mich hinterlassen hatte, hielt mich aber zurück. Eine Eule schrie.
»Wenigstens läufst du nicht nackt.«
Vor Schreck wäre ich fast umgekippt. Dann drehte ich mich zu der tiefen, rauen Stimme um.
Direkt auf meiner Veranda saß Jay Kendall. Der wunderbare, nette, lustige, kluge Jay Kendall, der mir nie einen Vorwurf daraus gemacht hatte, ihn nackt über den Haufen gerannt zu haben.
In den nächsten Tagen verließen wir mein Haus nur selten. Als wir es dann doch einmal taten, hatte ich anschließend einen dicken Diamanten am dritten Finger der linken Hand und Jay das Versprechen gegeben, ihn in einer Woche in Weltana zu heiraten.
Die Hochzeit wurde vor der Presse geheim gehalten.
Wir wurden vom örtlichen Priester getraut, einem Mann, der seit Jahren mit Jay befreundet war und mit ihm Fliegenfischen ging. Die Hochzeit fand direkt am Fluss statt, an der Stelle, wo wir uns zum ersten Mal gesehen hatten. Ich hatte gehofft, es würde ein milder Wintertag, und genauso war es. Bestimmt hatte meine Mutter beim lieben Gott vorgesprochen und einfach darauf bestanden, dass die Sonne schien.
Und da niemand meiner Mutter eine Bitte abschlagen konnte, strahlte die Sonne am blassblauen Himmel wie gesponnenes Gold. Soman und Becky fertigten einen unglaublichen weißen Bogengang. Bradon und Olivia besorgten im Blumenladen gewaltige Rosenbouquets, die den Bogengang säumten (Kletterrosen hatte gerade keine Saison in Oregon), und Emmaline hatte riesige weiße Satinschleifen um die umstehenden Bäume gewickelt.
Donovan sang drei Opernarien über die ewige Liebe, und allen kamen die Tränen. Soman sang ein Lied aus seiner Heimat über Leidenschaft und Mangos, das alle zum Lachen brachte. Bradon spielte auf einem Miniklavier, und die Klänge schwebten über den Fluss.
Ich trug ein rotes Seidenkleid im Audrey-Hepburn-Stil. Befreiendes, glückliches Rot. Um den Hals hatte ich die goldene Kette mit dem Delphinanhänger meines Vaters, in der Hand hielt ich eines der Kreuze von meiner Mutter, zusammen mit einem großen Strauß Orchideen in einem goldenen Band, den Jay mir geschenkt hatte. An den Füßen trug ich die Laufschuhe, in denen ich mit Jay zusammengestoßen war. Man sah sie nicht, aber ich fand sie trotzdem perfekt. Viel besser als Stöckelschuhe.
Unter rauschenden Tannen gaben Jay und ich uns das Jawort. Ein paar Tränen rollten meine Wangen hinunter, und auch Jay standen die Tränen in den Augen, aber wir brachten es hinter uns, seine Hände in meinen.
Nachdem wir zu Mann und Frau erklärt worden waren, gaben wir uns einen leidenschaftlichen, alles besiegelnden Kuss und umarmten uns lang und innig. Der Priester trennte uns lachend, um uns zu beglückwünschen, gefolgt von Soman, Becky, Emmaline, Bradon, Olivia, Rosvita, den Lopez, Donovan, Charlie und Deidre, den Kindern und Linda, Margie und Louise mit ihren farblich abgestimmten Brillen. Alle applaudierten und lachten.
Rosvita und Donovan hatten auf meinem Rasen Tische mit gestärkten weißen Decken aufgestellt und für Essen und Trinken gesorgt. Unter einem großen Zelt hingen unzählige kleine weiße Lichter und viele Raumstrahler. Wir aßen Pfannkuchen und Omeletts, die Lopez hatten vegetarische Burritos mitgebracht, Zelda ihre Kuchen.
Es war einer der glücklichsten Momente meines ganzen Lebens und würde es immer bleiben.
Roy schickte dem Schlappschwanz seine Rechnung mit den neuen Honoraren. Pünktlich am dreißigsten Tag nach Rechnungseingang traf der Scheck bei ihm ein.
Auch mein Mountainbike bekam ich zurück. Es war total lädiert. Ich packte es wieder ein und schickte es dem Richter.
Der Richter sagte dem Schlappschwanz, er müsse mir innerhalb von vierzehn Tagen den dreifachen Betrag des Fahrrads zahlen, sonst käme er ins Gefängnis.
Vierzehn Tage später traf ein dicker Scheck ein.
Als Vermerk stand darauf: »Dumme Kuh!«
Ich lachte und spendete das Geld einer netten Naturwissenschafts- AG an der ehemaligen Schule meiner Mutter.
Emmaline knipste das Licht aus und zündete vier Kerzen an. Wir nahmen unsere Plätze auf den Sitzsäcken ein: Becky auf dem blauen, Soman auf dem gelben, Bradon auf dem grünen und ich auf dem violetten.
Dann blies Emmaline eine Kerze aus. »Die ist für Jeanne, die nackt am Flussufer entlanglief, um sich auf den Pfad der Unabhängigkeit, der Zufriedenheit und der Hoffnung zu bringen, ein Pfad, der sie von ihrem brennenden Zorn erlöste.«
Sie pustete die zweite Kerze aus. »Diese Kerze ist
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