Blaubeeren und Vanilleeis
Osterglocken in ihrer ganzen Pracht, sie wuchsen üppiger als je zuvor. Es ist schon sonderbar, dass Osterglocken jedes Jahr mehr Kinder haben und dass sie das ganz alleine hinbekommen. Genau wie die Schneeglöckchen, die hier und dort im Garten blühten. Schade nur, wie schnell sie sich wieder zum Schlafen in die Erde verkriechen.
Auf der Veranda am Haus stand ein langer Tisch, den Mama und Opa aus der Werkstatt hergeschleppt hatten, und überall im Garten waren Bänke und Stühle verteilt. Der Tisch war schwer beladen: Mamas schöne Schalen waren randvoll mit Brot, Gebäck, Obst und Käse und auf einem kleineren Tisch stapelten sich die Teller. Oma hatte mit Besteck und Weingläsern ausgeholfen, weil Mama nicht genug hatte – nicht für all die Gäste, die kommen würden.
»Voll cool, das wird echt ’ne geile Party«, nuschelte Tumi und beguckte alles zufrieden.
»Kannst du nicht vernünftig reden?«, regte sich Vildis auf. »Du wirst deinem Freund, diesem Binni, immer ähnlicher. Niemand versteht, was der vor sich hin brabbelt.«
Tumi sah sie belustigt an. »Wie reizend es doch ist, ein Fest zu geben«, erwiderte er feierlich.
Nun musste Vildis doch lachen. »Du musst dir ja nicht gleich den Kiefer verrenken!« Als sie ihren Bruder da so stehen sah, wie er durch das blonde Wuschelhaar in die Sonnenstrahlen blinzelte, die durch die Bäume fielen, merkte sie mit einem Mal, wie lieb sie ihn hatte – selbst wenn er manchmal ganz schön anstrengend sein konnte.
»Ja, das wird bestimmt ein superschönes Fest«, sagte sie. »Und gar nicht teuer. Wir haben ja ziemlich viel Fleisch von Opa aus dem Norden bekommen.«
»Immer musst du an so öde Dinge denken. Wie FLEISCH . Igitt«, sagte Tumi genervt. »Lass uns lieber an was
richtig
Schönes denken. Sollen wir nicht den Tisch ein bisschen schmücken, wie Mama es manchmal macht, zum Beispiel mit Blättern oder Gräsern? Ja, Vildis? Komm schon, jetzt sei nicht so langweilig!«
Am liebsten hätte Vildis gesagt, dass er es sonst ganz und gar nicht langweilig fand, sich mit Opas Fleisch den Bauch vollzuschlagen, doch sie beschloss, es zu lassen. Schließlich war das Mamas Geburtstag und alle sollten gut gelaunt sein. Und Tumis Idee mit dem Tischschmuck war gar nicht so übel.
Mama war überglücklich, als sie wenig später sah, wie schön sie den Tisch dekoriert hatten. »Ihr seid richtige Engel«, sagte sie.
Das Gulasch köchelte in zwei riesigen Töpfen auf dem Herd, alles war bereit.
Opa hatte die Aufgabe, alle Weinflaschen zu entkorken und die Limonade in eine Wanne mit Eiswürfeln zu stellen, während Oma besagten Engelskindern etwas Sauberes zum Anziehen heraussuchte.
Es dauerte eine ganze Weile, etwas Passendes für Vala zu finden, denn Vala wollte Prinzessin sein. Oder Dora aus dem Fernsehen. Oder Aschenputtel auf dem Ball. Oma löste das Problem mit einem rosa Nachthemd, das ihr bis zu den Knöcheln reichte, und einem roten Band, das sie der Prinzessin um die Taille – oder vielmehr um den Bauch – band.
Alle saßen draußen auf der Veranda, als sich das Geburtstagskind zeigte.
»Was bist du schön«, sagte Vildis und sah ihre Mutter voller Bewunderung an. Ob ich auch mal so hübsch sein werde?, fragte sie sich und fühlte sich ein bisschen komisch bei dem Gedanken.
»Ich habe gebadet und den Ton ordentlich abgeschrubbt«, sagte Mama fröhlich. »Jetzt können die Gäste ruhig kommen.«
Tumi und Vildis warfen sich einen Blick zu. Da war ja noch eine Kleinigkeit, die sie in dem ganzen Trubel schon fast vergessen hatten.
Vildis gab ihrem Bruder ein Zeichen und er folgte ihr ins Wohnzimmer.
»Glaubst du, dass er kommt?«, fragte Tumi.
»Bestimmt«, sagte Vildis. »Aber denk daran, dass
du
ihn eingeladen hast. Er kennt sonst niemanden. Du musst es Mama sagen. Falls er kommt.«
»Okay«, sagte Tumi.
Durchs Wohnzimmerfenster sahen sie, wie Mama die grüne Kasse unter die alte Eberesche stellte.
»Wahnsinn, wie hübsch Mama ist«, sagte Tumi. »Ich wette, dass er sich in sie verknallt.«
Und dann strömten die Gäste herbei. Alle waren in Festtagsstimmung, die Glücklichste von allen aber war Mama. Tumi sah sehnsüchtig all dem Geld nach, das die Gäste in die grüne Kasse steckten, und er hätte schwören können, dass die Kasse zufrieden lächelte.
Die Erwachsenen bekamen Wein oder Limonade in ihre Gläser und gingen im Garten umher oder ließen sich auf Stühlen und Bänken nieder. Die meisten Kinder saßen oben in den Bäumen, auf der
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