Blaulicht
dass der Staatsanwalt nicht sofort einen schriftlichen Beweis haben will – allerdings ist es zur Zeit überall stickig, auch in Tobischs Büro. Am anderen Ende bleibt es eine Weile stumm, und Mattusch sieht vor seinem inneren Auge eine Eule mit Monokel, der Dampfschwaden aus den Ohren stieben. Kurz steckt Zoe den Kopf in die Tür seines Büros, macht aber eine entschuldigende Handbewegung und verschwindet wieder, als sie ihren Chef mit hochrotem Kopf am Telefon sieht. Am anderen Ende der Leitung hört Mattusch, wie Tobisch denkt.
»Gut, Herr Mattusch. Das sind Umstände, die man respektieren muss. Aber Sie halten mich auf dem Laufenden, klar? In diesem Fall geht es auch um meinen Kopf, und ich halte ihn nicht freiwillig und schon gar nicht für irgendwelche messerschwingenden Drogensüchtigen hin, das kann ich Ihnen versichern.«
Klar wird er den Staatsanwalt auf dem Laufenden halten und klar hat auch Mattusch keine Lust, seinen Kopf zu riskieren. Aber Herrgott noch einmal, wie sagt sein selbstmörderisch Skateboard fahrender Sohn immer: »No risk, no fun!«
»Herr Mattusch?«
Zum zweiten Mal hat Zoe ihren Kopf zur Tür hereingesteckt und winkt mit einem Blatt Papier.
»Das ist gerade aus dem Kliniklabor reingekommen – es ist PepZero!«
*
»Hallo Milan!«
Kaum hat Martin Kalz den Raum betreten, in dem Milan Zahorka, verdeckter Ermittler des Drogendezernats, zumindest einen Teil seiner Arbeitszeit verbringt, den jedoch als Büro zu bezeichnen niemandem mehr, der ihn je aufgesucht hat, in den Sinn kommt, registriert er, dass sein Gruß ungehört verhallt ist. Zahorka sitzt barfuß in Jeans und T-Shirt am PC und trägt Kopfhörer, die ihm die wimmernden Töne eines Gitarrensolos in die Ohren jagen, gibt dabei Laute wie »dadiudiu-beong-baba-didididipdidi« von sich, die weit von einem Unisono mit der Musik entfernt sind, spielt eine imaginäre Gitarre und starrt dabei auf den Monitor, der umrahmt ist von vielen bunten Post-it-Haftnotizen. Kalz tritt näher und sieht auf dem Weg durch den Raum schnell ein, dass es völlig sinnlos ist, die auf dem Boden liegenden Zettel, die offenbar vom Ventilator erfasst wurden, schonen zu wollen. Es sieht ganz so aus, als sei Zahorka mit einer Hiobsmail konfrontiert, denn er unterbricht jäh sein Gitarrenspiel, schreit »ka-ta-stro-phal!« und schlägt dazu den Takt auf seinen Oberschenkeln.
»Was ist denn passiert?« Kalz hat sich direkt hinter dem Schreibtischstuhl postiert, rüttelt Milan aus seiner Dezibelorgie auf und starrt jetzt ebenfalls auf die Mail.
»Mensch, Manni! Mitten in einem der größten Gitarrensoli aller Zeiten von hinten anschleichen! Willst mal reinhören? George Thorogood and the Destroyers live in Boston 1982!«
»Nee – danke! Milan, mach das aus! Was ist denn da grad reingekommen?«
»Lies am besten selber. Da!« Milan deutet mit einem Kugelschreiber auf die offenbar wichtigste Stelle der Botschaft. Kalz liest:
Am Freitag und Samstag wird uns so richtig eingeheizt. Die Sonne scheint, am Freitag durch ein paar Schleierwölkchen, am Samstag durch gar nichts gestört. Maximal 32 bis 33 Grad am Freitag und 34 bis 35 Grad am Samstag. Der Südwind lebt tagsüber etwas auf und wirkt dann wie ein Heißluftgebläse. Sind abends die Temperaturen so weit gesunken, dass der Wind richtig kühlend wirken könnte, ist er meist schon wieder abgeflaut.
Wetterochs.
»Ist das nicht ein Wahnsinn?« japst Milan. »Ich tauch ja jetzt schon alle zwei Stunden mein T-Shirt in kaltes Wasser, und in spätestens einer Viertelstunde ist es am Körper wieder trocken.«
»Wer, zum Teufel, ist der Wetterochs?«
»Den kennst nicht? Mann, der ist Kult! Der verschickt jeden Tag 'ne Wettermail für Nürnberg und Umgebung. Mit exorbitanter Trefferquote!«
»Ja. Schön.« Kalz versucht, seinen Krawattenknoten ein wenig zu lockern. »Und sonst hast du nix auf Lager?«
»Klar doch, Manni.« Milan knufft ihn freundschaftlich in die Rippen, was Kalz mit einem verkniffenen Lächeln quittiert – wobei man das leichte Kräuseln der schmalen Lippen nur mit viel gutem Willen als Lächeln interpretieren kann. »Wir sind da einem anonymen Hinweis auf einen Russlanddeutschen nachgegangen, der in der Holzschuherstraße mit Autos handelt. Viktor Staufert heißt der Mann. Den hab ich mir in der letzten Zeit etwas näher angesehen. Da wurde mir dann auch ziemlich schnell klar, dass der unmöglich allein von seinem Kfz-Handel leben kann, so, wie er den betreibt. Dann hab ich
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