Bleakhouse
zu schweigen von dem Heugeruch, der von den benachbarten Wiesen herüberwehte.
Eine solche Stille und Ruhe herrschte innerhalb der alten roten Mauer, daß selbst die zur Verscheuchung der Vögel in Girlanden ausgehängten Federn sich kaum bewegten, und die Mauer hatte ein so Reife beförderndes Aussehen, daß, wo hie und da hoch oben ein unbenutzter Nagel oder ein Stück Leiste hängen geblieben war, man sich leichter denken konnte, sie wären mit den wechselnden Jahreszeiten reif geworden als nach dem Lauf der Dinge verrostet und verwittert.
Das Haus, im Vergleich zu dem Garten ein wenig unordentlich, war so ein richtiges altes Haus, mit Sitzen am Kamin, die Küche mit Ziegeln gepflastert und große Balken quer über der Decke. Auf der einen Seite des Gebäudes lag der schreckliche strittige Fleck, und Mr. Boythorn hatte Tag und Nacht eine Schildwache in einem Fuhrmannskittel dort stehen, die beauftragt war, im Falle eines Angriffs augenblicklich eine eigens zu diesem Zweck aufgehängte große Glocke zu läuten und eine in einer Hundehütte angekettete große Bulldogge zur Vernichtung des Feindes loszulassen. Noch nicht zufrieden mit diesen Vorsichtsmaßregeln, hatte Mr. Boythorn auf Schildern, auf denen sein Name in großen Buchstaben stand, die schreckliche Warnung angeschrieben: »Achtung vor der Bulldogge. Bissig im höchsten Grade. Lawrence Boythorn.«
»Die Muskete ist mit Rehposten geladen. Lawrence Boythorn.«
»Fußeisen und Selbstschüsse sind hier zu allen Zeiten Tag und Nacht gelegt. Lawrence Boythorn.«
Dann: »Achtung: Wer sich frecherweise erlaubt, ohne Erlaubnis dieses Grundstück zu betreten, verfällt der schärfsten körperlichen Züchtigung und wird außerdem mit der äußersten Strenge des Gesetzes verfolgt. Lawrence Boythorn.«
Diese Tafeln zeigte er uns von seinem Fenster aus, während ihm dabei sein Vogel auf dem Kopf herumhüpfte, und er lachte sein: Hahahaha! Hahahaha! so laut und heftig, daß ich wirklich glaubte, er werde sich einen Schaden tun.
»Aber das nenne ich, sich recht viel Unannehmlichkeiten bereiten«, meinte Mr. Skimpole in seiner gewöhnlichen leichtherzigen Weise, »wo es Ihnen doch nicht ernst damit ist.«
»Nicht ernst?« rief Boythorn mit unbeschreiblicher Wärme. »Nicht ernst? Ich hätte einen Löwen gekauft, wenn Aussicht gewesen wäre, ihn abzurichten, anstatt dieses Hundes, und ihn auf den ersten dieser widerwärtigen Räuber gehetzt, der sich eine Verletzung meiner Rechte erlaubt haben würde. Wenn Sir Leicester Dedlock sich übrigens dazu verstehen will, die Frage durch ein Duell zu entscheiden, so bin ich bereit, ihm mit jeder Waffe, die der Menschheit in irgendeinem Land oder zu irgendeiner Zeit bekannt gewesen ist, entgegenzutreten. So sehr ist's mir ernst. Ich dächte, das genügt.«
Wir waren an einem Samstag in seinem Hause angekommen und machten uns Sonntag morgens alle nach der kleinen Kirche im Park auf den Weg. Wir betraten den Park fast unmittelbar von dem strittigen Grundstück aus und gingen einen hübschen Fußweg über den grünen Rasen und unter schönen Bäumen hinweg, bis wir den Eingang zur Kirche erreichten.
Die Gemeinde war sehr klein und bestand aus lauter Bauern, mit Ausnahme der ziemlich großen Menge Dienerschaft des Herrschaftssitzes. Einige waren bereits auf ihren Plätzen, während andre noch nachkamen. Es befanden sich einige sehr stattliche Bediente darunter und ein wahres Bild von einem alten Kutscher, der aussah, als ob er der offizielle Repräsentant allen Pompes und Glanzes, der jemals auf einem Bock gesessen, wäre. Auch eine hübsche Kette von jungen Mädchen war zugegen, und über ihnen thronte das schöne alte Gesicht und die würdige behäbige Gestalt der Wirtschafterin. Das Mädchen, von dem Mr. Boythorn gesprochen, saß neben ihr. Sie war so außerordentlich hübsch, daß ich sie an ihrer Schönheit erkannt haben würde, selbst wenn ich nicht gesehen hätte, wie verschämt sie sich der Blicke des jungen Fischers bewußt war, den ich nicht weit davon entdeckte.
Ein Gesicht, und zwar kein angenehmes, obgleich es schön war, schien außerdem dieses hübsche Mädchen und überhaupt alles und jedes tückisch zu belauern. Es war das Gesicht einer Französin.
Die Glocke läutete noch, die vornehmen Herrschaften waren auch noch nicht da, und so hatte ich Zeit, mich in der Kirche umzusehen, die so modrig wie ein Grab roch. Was für eine dunkle, altertümliche, feierliche kleine Kirche es war! Die von Bäumen dicht
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