Bleakhouse
behauptet ja.«
Mrs. Snagsby ruft von ihrer Höhe herunter: »Nein, er kennt ihn nicht.«
»Mein kleines Frauchen«, sagt Mr. Snagsby mit einem Blick auf die Treppe, »meine Liebe, du gestattest. Bitte, nur einen Augenblick Geduld, meine Liebe. Ich kenne diesen Jungen allerdings ein wenig und wüßte nichts Schlimmes von ihm, eher vielleicht das Gegenteil.«
Und der Schreibmaterialienhändler erzählt alles, was er von Jo weiß, und verschweigt nur die Geschichte mit der halben Krone.
»Soweit scheint er also wahr gesprochen zu haben«, sagt der Polizeimann. »Als ich ihn droben in Holborn arretierte, behauptete er, Sie kennen ihn. Darauf sagte ein junger Mann unter den Umstehenden, daß er Sie kenne und daß Sie ein ehrenwerter Mann und Hausbesitzer wären und daß er nachkommen wolle, wenn ich herginge und mich erkundige. Der junge Mann scheint aber keine Lust zu haben, Wort zu halten, sondern... Ah, da ist ja der junge Mann!«
Mr. Guppy tritt ein, nickt Mr. Snagsby zu und greift mit kommishafter Ritterlichkeit zur Begrüßung der Damen auf der Treppe an den Hut.
»Ich habe soeben die Kanzlei verlassen, um spazieren zu gehen, als ich Zeuge dieses Auftritts wurde«, erklärt Mr. Guppy dem Papierhändler. »Und da Ihr Name fiel, hielt ich es für nötig, die Sache näher untersuchen zu lassen.«
»Das war sehr freundlich von Ihnen, Sir«, bedankt sich Mr. Snagsby. »Ich bin Ihnen sehr verbunden.« Und abermals erzählt Mr. Snagsby, was er weiß, und verschweigt wieder die Geschichte mit der halben Krone.
»Ich weiß schon, wo du wohnst«, sagt der Polizeimann zu Jo. »Du wohnst unten in 'Toms Einöd'. Eine hübsche unschuldige Gegend zum Wohnen und von gutem Ruf.«
»I kann in keim bessern Ort net wohnen«, jammert Jo. »Sie würden nix von mir wissen wolln, wenn i an am bessern Ort wohnen möcht wollen. Wer möcht so einen, wie i bin, in an ordentlichen Haus wohnen lassn.«
»Du bist sehr arm, was?« fragt der Polizeimann.
»Ja, dös bin i.«
»Nun, was sagen Sie dazu? Diese beiden Kronen hab ich aus ihm herausgeschüttelt, kaum daß ich ihn angefaßt habe«, sagt der Konstabler und zeigt die Geldstücke den Umstehenden.
»Sie sin der Rest von an Sovering, Mr. Snagsby«, rechtfertigt sich Jo. »Von an Sovering, was mir eine Dame mit an Schleier gebn hat, die gsagt hat, sie war a Dienstmadel, und die amal abends an mein Straßenübergang kommen is und mi aufgfordert hat, ihr dös Haus hier zu zeign, und das Haus, wo der, was für Ihna abgschriebn hat, gstorben is, und den Kirchhof, wos n begraben habn. Sie hat zu mir gsagt: Bist du der Bursche von der Totenschau, hats gsagt. I hab zu ihr gsagt, ja, hab i zu ihr gsagt. Kannst du mir alle diese Orte zeigen, hat s gfragt. Ja, dös kann i, hab i gsagt. Und sie hat zu mir gsagt: So tu es. Und i bin vorausgangen, und sie hat mir an Sovering gebn und is fortgloffen. Und i hab nix von den Sovering ghabt«, sagt Jo, und schmutzige Tränen laufen ihm über die Wangen, »denn i hab unten in Toms Einöd fünf Schilling fürs Wechseln gebn müssn, und einer hat mir fünfi gstohln bein Schlafn, und aner hat mir neun Pence gstohlen, und der Wirt hat gsagt, i müßt was zum Besten gebn, und des hat a ganze Menge kost.«
»Du erwartest doch nicht, daß dir ein Mensch die Geschichte von der Dame und dem Sovereign glaubt?« sagt der Konstabler und sieht Jo mit unaussprechlicher Verachtung von der Seite an.
»I erwart gar nix«, erwidert Jo, »aber wahr ist die Gschicht.«
»Sie sehen, was das für ein Subjekt ist«, bemerkt der Konstabler zu den Umstehenden. »Nun, Mr. Snagsby, wenn ich ihn dies Mal nicht einstecke, wollen Sie da für ihn bürgen, daß er schaut, daß er weiterkommt ?«
»Nein«, ruft Mrs. Snagsby von der Treppe herab.
»Liebes Frauchen!« bittet ihr Gatte. »Konstabler, ich bezweifle nicht, daß er sich packen wird. Du mußt es wirklich tun«, sagt Mr. Snagsby.
»Ja, ja, ich wers schon tun, Herr«, beteuert der unglückliche Jo.
»Also, marsch fort«, befiehlt der Polizeimann. »Du weißt jetzt, was du zu tun hast, und bild dir nicht ein, daß du das nächste Mal so gut wegkommst. Hier, nimm dein Geld. Und je eher du fünf Meilen weg bist, desto besser für uns alle.«
Mit diesem Abschiedswink und einer Handbewegung auf die untergehende Sonne als einem leidlichen Ort, wohin Jo sich packen könne, wünscht der Polizeimann seinem Auditorium einen guten Nachmittag und weckt das Echo in Cook's Court, wie er auf der Schattenseite drüben langsamen
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