Bleakhouse
dem Brote in mannigfacher Gestalt, aus der Butter, die da gewonnen wird aus der Milch, die da wiederum gemolken wird von der Kuh, aus den Eiern, so das Huhn leget, aus Schinken, aus Zunge, aus Wurst und dergleichen? So ist es. So lasset uns denn teilhaben an den guten Dingen, so uns beschert sind.«
Mr. Chadbands Widersacher leugnen, daß seine Gabe, Worte auf Worte zu türmen, etwas Besonderes sei. Aber das spricht nur für ihre Scheelsucht, weiß jedermann doch, daß der Chadbandsche Redestil Gemeingut ist und überall Anklang findet.
Mr. Chadband ist vorläufig fertig, nimmt an Mrs. Snagsbys Tische Platz und legt mit fabelhafter Energie los. Die Verwandlung jeglicher Art Speise in den bereits erwähnten Tran scheint ein von der Konstitution dieses musterhaften »Gefäßes« so unzertrennlicher Prozeß zu sein, daß man ihn eine Ölmühle oder eine andre zur Verfertigung dieses Artikels eingerichtete Fabrik nennen könnte, wenn er anfängt, zu essen und zu trinken. An dem heutigen Abend hält er in Cook's Court, Cursitor Street, die Mühle so flott in Gang, daß das Vorratshaus bis zum Rande gefüllt erscheint, als er zu arbeiten aufhört.
Während der Erbauungsepoche des Essens flüstert Guster – die sich von ihrem ersten Versehen nicht erholen konnte und kein mögliches oder unmögliches Mittel unversucht gelassen hat, ihrem eignen Ansehen und dem des Hauses zu schaden, indem sie zum Beispiel eine Art unerwarteter Militärmusik mit Tellern auf Mr. Chadbands Kopf veranstaltete und später den würdigen Herrn mit Eierbrötchen krönte – flüstert Guster Mr. Snagsby zu, daß jemand nach ihm frage.
»Um nicht durch die Blume zu sprechen, man erwartet mich unten im Laden«, sagt Mr. Snagsby und steht auf. »Die werte Gesellschaft wird mich gewiß für eine halbe Minute entschuldigen.«
Mr. Snagsby geht hinunter und findet die beiden »Stifte« in Betrachtung eines Polizeidieners versunken, der einen zerlumpten Knaben am Arm hält.
»Gott im Himmel«, fragt Mr. Snagsby, »was ist denn los?«
»Dieser Junge da«, sagt der Konstabler, »gehorcht nicht, obgleich ich ihm wiederholt gesagt habe, er solle sich auf die Beine machen...«
»I bin immer auf die Bein, Sir«, heult der Junge und wischt sich die schmutzigen Tränen mit dem Ärmel ab. »I bin immer auf die Bein gwesen, was i auf der Welt bin. Wo kann i denn hin, Sir, wenn i auch immer weiter geh?«
»Er geht nicht, wenn ich sage: Marsch vorwärts!« wiederholt der Polizeimann ruhig und bewegt den Hals militärisch hin und her, um ihn besser in seine steife Halsbinde zu passen. »Obgleich ich es ihm wiederholt gesagt habe. Deshalb hab ich ihn arretieren müssen. Er ist der widerspenstigste Spitzbub, der mir jemals vorgekommen ist. Er will nicht vorwärts.«
»Gottes willen, wo soll i denn hin«, heult der Junge, rauft sich verzweifelt die Haare und stampft mit seinen bloßen Füßen auf Mr. Snagsbys Hausflur.
»Mit so was komm mir nicht, oder ich mach kurzen Prozeß mit dir«, droht der Konstabler und schüttelt ihn, ohne sich dabei weiter aufzuregen. »Meine Instruktion lautet: Marsch vorwärts. Ich habe dir das schon fünfhundert Mal gesagt.«
»Aber wohin?« jammert der Junge.
»Hm, das scheint mir wirklich auch die Frage zu sein, Konstabler«, sagt Mr. Snagsby gedankenvoll und hüstelt ratlos hinter der Hand.
»Soweit gehen meine Instruktionen nicht«, entgegnet der Konstabler.
»Ich habe meinen Instruktionen gemäß Jungen, die auf der Gasse herumstrolchen, zu sagen: Marsch vorwärts!«
Hörst du das, Jo? Es geht dich und andre deinesgleichen nichts an, daß die großen Sterne am parlamentarischen Himmel seit ein paar Jahren unterlassen haben, ein Beispiel in: Marsch, vorwärts! zu geben. Das große Rezept, die profunde philosophische Vorschrift, ist für dich allein das Um und Auf deines seltsamen Daseins auf Erden. Marsch vorwärts! Nicht, daß du etwa ganz von der Welt verschwinden sollst, Jo – das würde den großen Sternen nicht passen –, aber: Marsch vorwärts!
Mr. Snagsby sagt nichts dieser Art – sagt überhaupt nichts –, hüstelt nur seinen ratlosesten Husten als Ausdruck dafür, daß er keinen Ausweg sieht. Mittlerweile sind Mr. und Mrs. Chadband und Mrs. Snagsby, von dem Wortwechsel herbeigelockt, auf der Treppe erschienen, und da Guster von Anfang an dort gestanden hat, ist jetzt das ganze Haus am Ende des Ganges versammelt.
»Es handelt sich einfach darum, Sir«, sagt der Konstabler, »ob Sie den Jungen kennen. Er
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