Bleakhouse
Stadium herauskommen?«
»Daran ist doch kein Zweifel.«
Wir gingen eine Weile stumm nebeneinander her; dann redete mich Richard in seiner offenherzigsten Weise an:
»Meine liebe Esther, ich verstehe Sie ganz gut und wünschte bei Gott, ich wäre ein beständigerer Mensch. Ich meine nicht beständig in bezug auf Ada, denn ich liebe sie aufs innigste – mehr und mehr von Tag zu Tag –, aber beständiger in bezug auf mich selbst. Vielleicht drücke ich mich nicht richtig aus, aber Sie werden mich schon verstehen. Wenn ich ein beständigerer Mensch wäre, hätte ich entweder bei Badger oder bei Kenge & Carboy festgehalten wie der grimme Tod und wäre jetzt solid und gesetzt geworden und hätte keine Schulden und...«
»Haben Sie Schulden, Richard?«
»Ja. Ein paar, liebe Esther. Auch habe ich mir etwas zu sehr das Billardspielen angewöhnt und ähnliches. Jetzt ist's draußen. Sie verabscheuen mich, Esther, nicht wahr?«
»Sie wissen, daß dies nicht der Fall ist«, sagte ich.
»Sie sind nachsichtiger gegen mich, als ich es oft selbst bin. Liebe Esther, ich bin ein armer Hund, daß ich nicht zur Ruhe kommen kann. Aber wie kann ich es denn? Wenn Sie in einem unvollendeten Hause wohnen müßten, würden Sie darin nicht zur Ruhe kommen können, und wenn Sie verurteilt wären, alles, was Sie anfingen, halbfertig liegen lassen zu müssen, wären Sie auch nicht imstande, sich einer Sache ernstlich zu widmen. Ich bin in diesen endlosen Rechtsstreit mit all seinen wechselnden Chancen hineingeboren worden, und er hat mich aus dem Gleichgewicht zu bringen begonnen, ehe ich noch recht wußte, was ein Prozeß ist. Er hat mich seitdem nie mehr recht wieder ins Geleise kommen lassen. Hier stehe ich nun manchmal, von der Überzeugung durchdrungen, daß ich gar nicht wert bin, meine vertrauensvolle Kusine Ada zu lieben.«
Wir waren an einer menschenleeren Stelle angelangt, und er bedeckte die Augen mit seiner Hand und schluchzte.
»Richard, nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen! Sie haben eine vornehme Denkungsweise, und der Gedanke an Ada kann Sie jeden Tag ihrer würdiger machen.«
»Ich weiß das, liebe Esther«, antwortete er und drückte mir den Arm. »Ich weiß das alles. Sie dürfen sich nicht wundern, daß ich jetzt ein bißchen weich bin, aber die Geschichte hat mir lange Zeit auf der Seele gelegen, und ich wollte oft mit Ihnen darüber sprechen, aber manchmal hat mir die Gelegenheit und oft der Mut dazu gefehlt. Ich weiß, daß der Gedanke an Ada mich ändern sollte, aber er tut es nicht. Ich bin zu unbeständig. Ich liebe sie auf das innigste, und dennoch handle ich jeden Tag und jede Stunde unrecht an ihr und an mir. Aber das kann nicht ewig dauern. Wir müssen endlich zu einem Schlußtermin kommen und zu einem Urteil zu unsern Gunsten. Und dann sollen Sie und Ada sehen, was ich in Wirklichkeit sein kann.«
Es hatte mir einen Stich ins Herz gegeben, als ich ihn schluchzen hörte und die Tränen zwischen seinen Fingern durchdringen sah, aber es war mir unendlich weniger schmerzlich als die Hoffnungsfreude, mit der er die letzten Worte sprach.
»Ich habe die Akten gründlich studiert, Esther, mich monatelang in sie vertieft«, fuhr er mit seiner alten Heiterkeit wieder fort, »und Sie können sich darauf verlassen, daß wir gewinnen müssen. Was langes Warten betrifft, hat es daran nicht gefehlt, Gott weiß. Um so wahrscheinlicher, daß die Sache rasch zu Ende geht. Sie steht sogar heute auf der Tagesordnung. Es wird zuletzt alles gut werden, und dann sollen Sie sehen.«
Da ich ihn soeben Kenge & Carboy in dieselbe Kategorie mit Mr. Badger hatte stellen hören, fragte ich ihn, wann er beabsichtige, sich in Lincoln's-Inn einschreiben zu lassen.
»Das ist's ja eben! Ich denke gar nicht daran, Esther«, erwiderte er gezwungen. »Ich glaube, ich habe die Sache dick. Ich habe im Falle 'Jarndyce kontra Jarndyce' wie ein Galeerensklave gearbeitet und vorläufig meinen Durst nach Jurisprudenz gelöscht und mich überzeugt, daß ich mich nicht dafür eigne. Außerdem finde ich, daß es mich nur noch unruhiger macht, immerwährend auf dem Schauplatz der Handlung zu sein. Worauf richten sich nun naturgemäß meine Gedanken?« fuhr Richard fort, im Laufe seiner Rede wieder zuversichtlich geworden.
»Ich kann es nicht erraten.«
»Machen Sie kein so ernstes Gesicht! Es ist jedenfalls das Beste«, entgegnete Richard, »was ich tun kann, liebe Esther, das ist sicher. Ich brauche doch keinen Beruf im Leben zu haben, um
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