Bleakhouse
versorgt zu sein. Der Prozeß muß endlich zu Ende gehen, und dann bin ich geborgen. Nein! Ich betrachte die Jurisprudenz als einen Beruf, der für mich nur vorübergehend ist und zu meiner zeitweiligen Lage, ich möchte sagen, vortrefflich paßt. Worauf richten sich nun naturgemäß meine Gedanken?«
Ich sah ihn an und schüttelte den Kopf.
»Auf was sonst«, sagte Richard im Tone tiefster Überzeugung, »als auf die Armee.«
»Auf die Armee?«
»Auf die Armee, natürlich. Ich brauche mir nur ein Patent zu verschaffen, und fertig.«
Und dann bewies er mir durch ausführliche Berechnungen in seinem Notizbuch, daß – vorausgesetzt, er habe zweihundert Pfund Schulden in sechs Monaten gemacht, noch vor seinem Eintritt in die Armee, und als Offizier in einem entsprechenden Zeitraum gar keine weitern – denn dazu sei er fest entschlossen –, daß diese veränderte Lebensweise eine Ersparnis von vierhundert Pfund jährlich oder zweitausend Pfund in fünf Jahren bewirken müsse, was schon eine recht beträchtliche Summe sei. Und dann sprach er so offen und aufrichtig von dem Opfer, das er bringen wolle, indem er sich eine Zeitlang von Ada fernhalte, und von dem Ernst, der ihn jetzt erfülle, ihre Liebe zu vergelten, sie glücklich zu machen und alle seine Fehler abzulegen und ein Mann von Energie und Festigkeit zu werden, daß mir wirklich das Herz weh tat. Ich dachte bei mir, wie würde und könnte das alles enden, wo alle seine hohen Eigenschaften so bald und so sicher von dem Gifthauch getroffen werden mußten, der alles, was er berührte, zugrunde richtete.
Ich sprach mit Richard mit dem ganzen Ernst, der mich erfüllte, und bat ihn um Adas willen, nicht seine Hoffnung auf den Kanzleigerichtsprozeß zu setzen. Allem, was ich sagte, stimmte Richard bereitwillig bei. Nur über den Gerichtshof und was damit zusammenhing ging er leicht hinweg und entwarf die glänzendsten Schilderungen von dem Beruf, dem er sich widmen wollte, wenn der böse Prozeß einmal aufgehört haben würde, seine Gedanken gefangen zu halten. Wir hatten ein langes Gespräch, aber im Wesen drehte es sich immer wieder um denselben Punkt.
Endlich erreichten wir Soho-Square, welchen Platz Caddy Jellyby als einen stillen Ort in der Nähe von Newmanstreet zum Stelldichein bestimmt hatte.
Caddy ging in dem Park in der Mitte des Platzes spazieren und eilte uns entgegen, sobald sie uns erblickte. Nach einigen fröhlichen Worten ließ uns Richard allein.
»Prince hat in der Nähe Unterricht zu geben, Esther«, sagte Caddy, »und hat sich den Gartenschlüssel für uns geben lassen. Wenn du daher mit mir hier spazieren gehen willst, können wir uns einschließen, und ich kann dir in Ruhe erzählen, weshalb ich dein liebes gutes Gesicht so bald wieder zu sehen wünschte.«
»Sehr gut, liebe Caddy«, sagte ich. »Das ist ein prächtiger Einfall.«
Caddy verschloß, nachdem sie das »liebe gute Gesicht«, wie sie es nannte, liebreich geküßt hatte, das Gitter, nahm meinen Arm, und wir gingen gemütlich im Garten spazieren.
»Du mußt wissen, Esther«, begann Caddy, die immer eine Vorliebe für Vertraulichkeit hatte, »als du mir sagtest, es sei Unrecht, ohne Ma's Wissen zu heiraten oder sie über unser Verlöbnis in Unwissenheit zu lassen – wenn ich auch nicht annehme, daß sie sich viel um mich kümmert –, glaubte ich deine Äußerung Prince mitteilen zu müssen. Erstens, weil ich aus allem, was du mir sagst, profitieren möchte, und zweitens, weil ich keine Geheimnisse vor Prince habe.«
»Ich hoffe, er hat mir beigestimmt, Caddy.«
»Und wie! Ich versichere dir, er würde dir in allem und jedem beistimmen. Du hast keine Idee, welch hohe Meinung er von dir hat.«
»Wirklich?«
»Esther, jede andere als mich würde es eifersüchtig machen«, lachte Caddy und schüttelte den Kopf. »Aber ich freue mich nur darüber, denn du bist meine erste Freundin und die beste, ich jemals haben werde. Und niemand kann dich genug achten und lieben, wenn er mir gefallen will.«
»Mein Wort, Caddy«, sagte ich, »ihr habt euch wohl alle zusammen verschworen, mich eingebildet zu machen? Nun, was wolltest du sagen?«
»Wir sprachen also ausführlich darüber, und ich sagte zu Prince: 'Prince, da Miß Summerson...'«
»Ich hoffe doch nicht Miß Summerson?«
»Nein, allerdings nicht!« rief Caddy fröhlich. »Ich sagte: Esther. Ich sagte zu Prince: Da Esther entschieden dieser Meinung ist, Prince, und sie gegen mich ausgesprochen hat und stets darauf
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