Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Ellbogen. Guster verfällt in einen Zustand leeren Vorsichhinstierens, zusammengesetzt aus atemloser Bewunderung Mr. Chadbands und Mitleid mit dem armen freundlosen Ausgestoßnen, dessen Lage sie tief ergreift.
    Mrs. Snagsby legt schweigend Pulverminen.
    Mrs. Chadband setzt sich mit finsterer Miene an den Kamin und wärmt sich die Knie. Sie findet, daß dies das Zuhören erleichtert.
    Mr. Chadband hat die übliche Kanzelpredigergewohnheit, ein Mitglied der Gemeinde zu fixieren und mit fettigem Wohlwollen seine Argumente insbesondere an diese Person zu richten. Von dem Angeredeten wird in solchen Fällen gewöhnlich erwartet, daß er sich zu gelegentlichem Stöhnen, Seufzen, Ächzen oder andern hörbaren Äußerungen des Innenlebens aufschwingt. Diese Äußerung der Seele pflegt dann von einer ältlichen Dame im nächsten Kirchenstuhl zumeist wiederholt zu werden, geht dann wie beim Pfänderspiel im Kreise der leichter gärbaren Sünder unter den Anwesenden herum, erfüllt den Zweck des parlamentarischen »Hört, hört!« und erhält den Prediger in Volldampf.
    Aus bloßer Gewohnheit also hat Mr. Chadband bei den Worten »Meine Froinde!« sein Auge auf Mr. Snagsby geheftet und richtet an den armen Schreibmaterialienhändler, dem die Sterne sichtlich übel wollen und der schon verlegen genug ist, unmittelbar seine Rede.
    »Meine Freunde!« beginnt Chadband. »Wir haben hier unter uns einen Ungesalbten, einen Heiden, einen Bewohner der Zelte von 'Toms Einöd', einen, der da herumschweift auf Erden. Meine Freunde, wir haben hier unter uns« – Mr. Chadband nestelt das Argument mit seinem schmutzigen Daumennagel auf, wirft ein öliges Lächeln auf Mr. Snagsby, als wolle er sagen, er werde ihn sofort logisch zu Fall bringen, wenn er nicht schon sowieso am Boden liege – »haben hier unter uns einen Bruder und einen Knaben. – Ohne Eltern, ohne Verwandte, ohne Vieh und Herden, ohne Gold und Silber und Edelgestein. Aber, meine Freunde, warum sage ich, daß er dieser Besitztümer ermangelt? Warum? Warum ermangelt er ihrer?« Mr. Chadband wirft die Frage auf, als lege er Mr. Snagsby ein ganz neues ungemein geistreiches Rätsel vor und bäte ihn, nur ja nicht an der Auflösung zu verzweifeln.
    Mr. Snagsby, sehr verwirrt von dem Sphinxblick, den sein kleines Frauchen bei den Worten »ohne Eltern« auf ihn wirft, läßt sich zu der bescheidnen Bemerkung verleiten:
    »Ich weiß es wirklich nicht, Sir.«
    Diese Unterbrechung macht Mrs. Chadband finster aufblicken, und Mrs. Snagsby ruft: »Es ist eine Schande.«
    »Ich höre eine Stimmö«, sagt Chadband. »Ist es eine demütige Stimmö, meine Freunde? Ich fürchte nicht, wiewohl ich es hoffen möchte.«
    Hörbares Räuspern Mr. Snagsbys.
    »...Die da saget, ich weiß es nicht. Und nun will ich euch sagen, warum. Ich sage, dieser Bruder, der da stehet vor uns, ermangelt der Eltern, ermangelt der Verwandten, ermangelt des Viehs und der Herden, ermangelt des Silbers, des Goldes und jeglichen Geschmeides, weil er des Lichtes entbehrt, das da niederscheinet auf einige von uns. Was ist das für ein Licht? Was ist es? Ich frage euch, was ist das für ein Licht?«
    Mr. Chadband legt den Kopf zurück und hält inne, aber Mr. Snagsby geht nicht noch einmal auf den Leim.
    Mr. Chadband lehnt sich über den Tisch hinüber und bohrt, was er noch zu sagen hat, mit dem bereits erwähnten Daumennagel in Mr. Snagsby hinein.
    »Es ist«, erläutert Chadband, »der Strahl der Strahlen, die Sonne der Sonnen, der Mond der Monde, der Stern der Sterne. Es ist das Licht der Waharheit.«
    Mr. Chadband richtet sich wieder auf und sieht Mr. Snagsby triumphierend an, als wolle er sich vergewissern, wie seinem Opfer jetzt zumute sei.
    »Der Waharheit«, wiederholt Mr. Chadband mit einem neuen Lanzenstich. »Saget mir nicht, daß sie nicht sei die Leuchte der Leuchten. Ich sage euch, sie ist es. Ich sage euch millionenmal, sie ist es. Sie ist es. Ich sage euch, daß ich es euch verkündigen werde, ob ihr da wollet oder nicht. Ja, je weniger ihr wollet, desto lauter will ich es euch verkünden mit Drommetenzungen. Ich sage euch, locket ihr dagegen, werdet ihr fallen, werdet ihr stürzen, werdet ihr zerschlagen, werdet ihr zerbrochen, werdet ihr zermalmet zu Stahub.«
    Der kühne Redeflug, von Mr. Chadbands Anhängern wegen seiner Gewaltigkeit ungemein bewundert, macht Seiner Ehrwürden nicht nur unangenehm warm, sondern stellt auch den unschuldigen Mr. Snagsby als einen entschiedenen Feind der Tugend,

Weitere Kostenlose Bücher