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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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herbeizuschaffen ist, lenkt sich der Blick ihres Geistes vorderhand mit verdoppelter Wachsamkeit auf den Jungen.
    Wer ist dieser Junge? fragt sich Mrs. Snagsby tausend und ein Mal. Wer ist dieser...? Und da geht ihr plötzlich ein Licht auf.
    Er hat keinen Respekt vor Mr. Chadband! Nein, den hat er nicht und kann ihn auch nicht haben! Natürlich kann er keinen haben unter solchen ansteckenden Verhältnissen! Mr. Chadband hat ihn eingeladen – Mrs. Snagsby hat es mit eignen Ohren gehört –, wiederzukommen, um zu erfahren, wo Mr. Chadband predige. Und er ist nicht gekommen! Warum ist er nicht gekommen? Weil man es ihm verboten hat! Wer hat es ihm verboten? Wer? Haha! Mrs. Snagsby sieht plötzlich klar.
    Aber zum Glück – und Mrs. Snagsby schüttelt grimmig den Kopf und lächelt grimmig – hat Mr. Chadband gestern den Knaben auf der Straße getroffen, und Mr. Chadband hat diesen Knaben, über den er zur Erbauung einer auserlesenen Gemeinde zu predigen wünscht, ergriffen und ihm gedroht, ihn der Polizei zu übergeben, wenn er nicht sage, wo er wohne, und sich nicht morgen seinem Versprechen gemäß in Cook's Court einfinde. Mor-gen a-bend! wiederholt Mrs. Snagsby des Nachdrucks wegen mit grimmigem Lächeln und Kopfschütteln, und morgen abend wird der Junge kommen, und morgen abend wird Mrs. Snagsby ein Auge auf ihn und noch eine andere gewisse Person haben. O, du magst schon eine hübsche Weile deine Schleichwege gehen, sagt Mrs. Snagsby mit Stolz und Verachtung, aber mich betrügst du nicht!
    Mrs. Snagsby hängt es nicht an die große Glocke, was sie sich denkt, sondern schweigt über ihre Pläne und behält ihr Geheimnis für sich.
    Morgen kommt. Die schmackhaften Vorbereitungen für die Ölmühle kommen, und der Abend kommt. Es kommt Mr. Snagsby in seinem schwarzen Rock. Es kommen die Chadbands, wenn das »Gefäß« genügend leer ist. Es kommen die »Stifte« und Guster, um sich erbauen zu lassen. Es kommt endlich mit hängendem Kopf und schlottrigem Gang, in der schmutzigen Hand die Pelzmütze, die er rupft wie einen Vogel, den er roh verzehren will, Jo, der Schmier-Ober, den Mr. Chadband bessern will.
    Mrs. Snagsby wirft einen wachsamen, aber verstohlenen Blick auf Jo, wie ihn Guster jetzt in das kleine Staatszimmer führt. Er sieht Mr. Snagsby beim Eintreten an. Aha! Warum sieht er Mr. Snagsby an ? – Mr. Snagsby sieht ihn an. Warum tut er das?
    Mrs. Snagsby weiß sofort alles. Warum denn sonst wechseln diese beiden einen Blick miteinander, warum denn sonst ist Mr. Snagsby so verlegen und hustet einen Signalhusten hinter seiner Hand, als, weil es klar wie Kristall ist, daß Mr. Snagsby der – Vater dieses Knaben ist.
    »Friede sei mit euch, meine Freunde!« salbadert Chadband, steht auf und wischt sich die Ölabsonderungen von seinem Reverendgesicht ab. »Friede sei mit uns! Meine Freunde, warum mit uns? Weil«, sagt er mit seinem fetten Lächeln, »weil er nicht gegen uns sein kann, weil er für uns ist; weil er nicht verhärtet, sondern weil er erweicht; weil er nicht Krieg führt wie der Habicht, sondern zu uns kommt wie die Taube. Deshalb, meine Freunde, sei Friede mit uns! Du, menschlicher Knabe, tritt vor!«
    Mr. Chadband streckt die aufgedunsene Pfote aus, legt sie auf Jos Arm und überlegt sich, wo er ihn hinsetzen solle. Jo, sehr argwöhnisch in bezug auf die Absichten Seiner Ehrwürden und keineswegs sicher, ob man nicht etwa eine schmerzliche Operation an ihm vornehmen wolle, brummt: »Lassen S mi gehn. I hab Eahna nix tan. Lassen S mi gehn.«
    »Nein, mein junger Freund«, sagt Chadband salbungsvoll. »Ich lasse dich nicht. Und warum? Weil ich einsammle die Ernte; weil ich mich mühe und plage; weil du mir überliefert bist und ein köstlich Werkzeug geworden in meiner Hand. Meine Freunde, möge ich mich dieses Werkzeugs bedienen zu eurem Besten, zu eurem Nutzen, zu eurem Gewinn, zu eurer Wohlfahrt, zu eurer Bereicherung! Mein junger Freund, setze dich auf diesen Stuhl.«
    Sichtlich von dem Gedanken beherrscht, daß Seine Ehrwürden ihm die Haare schneiden wolle, schützt sich Jo den Kopf mit beiden Armen und läßt sich nur mit großer Mühe und unter vielem Sträuben hinsetzen.
    Als man ihn endlich wie eine Modellpuppe zurechtgerückt hat, zieht sich Mr. Chadband hinter den Tisch zurück, hält seine Bärentatze empor und spricht:
    »Meine Froinde!«
    Das ist das Signal für die ganze Zuhörerschaft, die Ohren aufzumachen. Die »Stifte« kichern in sich hinein und stoßen sich mit den

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