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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Lincoln's-Inn-Fields und an Mr. Tulkinghorns Treppe angekommen, findet er die Saaltür abgesperrt und die Kanzlei geschlossen. Aber da er als Kavallerist wenig von Saaltüren versteht, tastet er, in der Hoffnung, einen Klingelzug zu finden oder die Tür öffnen zu können, noch herum, da kommt Mr. Tulkinghorn – selbstverständlich leise – die Treppe herauf und fragt unwirsch:
    »Wer ist da? Was machen Sie da?«
    »Entschuldigen Sie, Sir. Ich bin George. Der Sergeant.«
    »Und George, der Sergeant, konnte nicht sehen, daß meine Tür verschlossen ist?«
    »Nun, nein, Sir. Konnte ich nicht. Jedenfalls hab ich es nicht gesehen«, antwortet der Kavallerist ein wenig gereizt.
    »Haben Sie sich anders besonnen oder sind Sie noch derselben Ansicht?« Mr. Tulkinghorn fragt, aber er sieht auf den ersten Blick, woran er ist.
    »Ich bin noch derselben Ansicht, Sir.«
    »Ich habe mir's gedacht. Das genügt. Sie können gehen. – Sie sind doch der Mann«, sagt Mr. Tulkinghorn und sperrt seine Tür auf, »in dessen Versteck Mr. Gridley gefunden wurde?«
    »Ja, ich bin der Mann«, bestätigt der Kavallerist und bleibt zwei oder drei Stufen tiefer unten stehen. »Warum, Sir?«
    »Warum? Ihr Umgang gefällt mir nicht. Ich hätte Sie heute morgen nicht vorgelassen, wenn ich gewußt hätte, daß Sie der Betreffende sind. Gridley!! Ein gefährlicher mörderischer Kerl!«
    Mr. Tulkinghorn geht mit diesen für ihn ungewöhnlich laut gesprochnen Worten in seine Wohnung und wirft die Tür hinter sich zu. Mr. George ärgert sich sehr über diese Manier, sich zu verabschieden. Und umsomehr, als ein die Treppe heraufkommender Schreiber die letzten Worte gehört hat und sie offenbar auf ihn bezieht.
    »Hübsche Sachen muß man sich da gefallen lassen«, brummt er und steigt mit einem Fluch die Treppe hinunter. Und als er hinaufblickt, sieht er den Schreiber herunterschauen und ihn, wie er an einer Lampe vorbeigeht, beobachten. Das steigert seinen Ärger so sehr, daß er fünf Minuten lang schlechter Laune ist.
    Aber er pfeift sich auch das aus dem Sinn und marschiert durch die Straßen in seine Schießgalerie.

28. Kapitel
Der Hüttenbesitzer
    Sir Leicester Dedlock hat für diesmal die Familiengicht überstanden und ist abermals in wörtlichem wie figürlichem Sinn auf den Beinen. Er weilt auf seinem Edelsitz in Lincolnshire, aber das Wasser steht wieder in den Niederungen, und die Kälte und Feuchtigkeit dringen trotz der besten Schutzmaßregeln in Chesney Wold ein und in Sir Leicesters Knochen.
    Die hellen Feuer von Holz und Steinkohlen – Dedlock-Holz und vorsintflutlicher Wald –, die in den breiten geräumigen Kaminen lodern und im Zwielicht den finster blickenden Wäldern zuzwinkern, die grollend zusehen, wie ihre Bäume geopfert werden, können den Feind nicht vertreiben. Die Röhren mit heißem Wasser, die sich durch das ganze Haus schlängeln, die Polsterung der Türen und Fenster und die Vorhänge und Jalousien ersetzen nicht die Unzulänglichkeit der Feuer und genügen Sir Leicesters Bedürfnissen nicht. Daher verkünden die fashionablen Nachrichten eines Morgens dem lauschenden Erdenrund, daß Lady Dedlock binnen kurzem auf einige Wochen in die Stadt zurückkehren wird.
    Es ist eine traurige aber wahre Tatsache, daß selbst große Männer arme Verwandte haben. Ja, große Männer haben oft mehr als den ihnen gebührenden Anteil an armen Verwandten. Und blaues Blut der feinsten Qualität ebenso wie geringes unrechtmäßig vergossenes schreien zum Himmel und wollen gehört sein. Sir Leicesters Vettern bis in den fernsten Grad sind in ihrer Art Mordtaten, die um jeden Preis ans Tageslicht wollen. Unter ihnen sind Vettern von so großer Armut, daß man fast denken könnte, es wäre für sie ein größeres Glück gewesen, sie wären niemals plattierte Glieder an der Dedlock-Goldkette geworden, sondern gleich von Anfang an von gemeinem Eisen und gewöhnlichen Diensten gewidmet gewesen.
    Dienen dürfen sie, mit einigen sehr beschränkten, aber auch da keinen Nutzen bringenden Ausnahmen, wegen ihrer hohen Dedlock-Abstammung keinesfalls. Daher besuchen sie ihre reichen Vettern und machen Schulden, wenn sie können, und leben ziemlich schäbig, wenn es ihnen nicht gelingt. Als Frauen finden sie keine Männer und als Männer keine Frauen. Sie fahren in geborgten Wagen und sitzen bei Gastmählern, die sie selbst nie geben, und schlagen sich so durchs Leben. In die große Familiensumme haben sich allzuviele Zahlen geteilt, und sie

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