Bleakhouse
schicklichen und gut verfaßten Briefe, muß ich sagen – um die Gunst einer kurzen Unterredung mit Mylady und mir wegen dieses jungen Mädchens gebeten. Da es schien, als ob er diesen Abend noch abzureisen wünschte, antwortete ich ihm, daß wir ihm noch vor dem Schlafengehen Audienz geben wollten.«
Miß Volumnia entflieht mit einem dritten leisen Schrei, indem sie ihren Wirten, o Gott, glückliche Befreiung von dem – was ist er? – Hüttenmeister wünscht.
Die andern Vettern und Basen verlieren sich ebenfalls bald. Sir Leicester klingelt.
»Empfehlen Sie mich Mr. Rouncewell unten bei der Haushälterin und sagen Sie ihm, daß ich ihn jetzt empfangen kann.«
Mylady, die all dem äußerlich nur mit geringer Aufmerksamkeit zugehört hat, wirft einen Blick auf Mr. Rouncewell, als er ins Zimmer tritt. Er ist dem Anschein nach ein wenig über fünfzig, gut gewachsen wie seine Mutter, hat eine sonore Stimme, eine breite Stirn, von der das dunkle Haar schon ein wenig zurückgewichen ist, und ein gescheites und offenes Gesicht. Er sieht in seinem schwarzen Rock behäbig aus, aber kräftig und beweglich, wie jemand, der eine gewisse verantwortliche Tätigkeit gewohnt ist. Er benimmt sich vollkommen natürlich und unbefangen und ist nicht im mindesten verlegen.
»Sir Leicester und Lady Dedlock, da ich wegen der Belästigung bereits um Verzeihung gebeten habe, so kann ich nichts Besseres tun, als mich sehr kurz zu fassen. – Ich danke Ihnen, Sir Leicester.«
– Das Familienoberhaupt der Dedlocks hat nämlich mit der Hand auf ein Sofa zwischen sich und Mylady gewiesen. –
Mr. Rouncewell nimmt ruhig Platz.
»In diesen geschäftigen Zeiten, wo so große Unternehmungen im Gange sind, haben Leute wie ich eine solche Menge Arbeiter an so vielen Orten, daß wir beständig unterwegs sind.«
Sir Leicester paßt es, daß der Hüttenbesitzer fühlt, daß hier nichts eilt, hier, in diesem uralten Hause, festgewurzelt in dem stillen Park, wo der Efeu und das Moos Zeit gefunden haben, sich auszubreiten, und die zackigen warzigen Ulmen und die schattigen Eichen tief in hundertjährigem Farnkraut und Laub stehen, wo die Sonnenuhr auf der Terrasse seit Generationen stumm die Zeit gezeigt hat, die ebensosehr das Eigentum jedes Dedlocks war – für Lebenszeit – wie das Haus und die Ländereien. Sir Leicester nimmt in einem Lehnstuhl Platz und setzt seine Ruhe und die ganz Chesney Wolds dem Ungestüm des Eisenwerkbesitzers entgegen.
»Lady Dedlock ist so gütig gewesen«, fährt Mr. Rouncewell mit einem Blick und einer Verbeugung voll Ehrerbietung vor der Dame des Hauses fort, »eine junge Schönheit namens Rosa in ihre Dienste zu nehmen. Nun hat sich mein Sohn in Rosa verliebt und meine Einwilligung verlangt, ihr seine Hand antragen und sich mit ihr verloben zu dürfen, wenn sie ihn haben will, was ich nämlich voraussetze.
Ich habe Rosa heute das erste Mal gesehen, aber ich vertraue auf meines Sohnes richtigen Blick, selbst in der Liebe.
Nach meinem Dafürhalten ist sie wirklich so, wie er sie schildert, und auch meine Mutter ist voll des Lobes über sie.«
»Sie verdient es in jeder Hinsicht«, bestätigt Mylady.
»Es freut mich, daß Sie das auch sagen, Lady Dedlock, und ich brauche wohl nicht erst auseinanderzusetzen, welchen Wert für mich Ihre Meinung über Rosa hat.«
»Das wäre wohl auch ganz unnötig«, bemerkt Sir Leicester unsäglich würdevoll, denn der Eisenwerkbesitzer kommt ihm ein wenig zu zungenfertig vor.
»Ganz unnötig, Sir Leicester. Gewiß. – Nun ist mein Sohn ein sehr junger Mann und Rosa ein sehr junges Mädchen. Wie auch ich mich emporarbeiten mußte, so muß auch mein Sohn es tun, und jetzt zu heiraten, ist für ihn ausgeschlossen. Aber vorausgesetzt, ich gäbe meine Einwilligung zu seiner Verlobung, wenn sich die kleine Schönheit überhaupt mit ihm verloben will, so halte ich es für meine Pflicht, von vornherein aufrichtig zu sagen – und ich bin überzeugt, Sir Leicester und Lady Dedlock, Sie werden mich verstehen und entschuldigen, – daß ich es zur Bedingung machen müßte, daß Rosa nicht in Chesney Wold bleibt. Deshalb, ehe ich die Sache weiter mit meinem Sohn bespreche, nehme ich mir die Freiheit, zu versichern, daß, wenn Ihnen Rosas Entfernung nicht passen sollte oder irgendwie unangenehm wäre, ich die Sache auf einen beliebigen vernünftigen Termin hinausschieben und sie so lassen würde, wie sie gegenwärtig steht.«
Nicht in Chesney Wold bleiben? Es zur Bedingung
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