Bleakhouse
Doktor, General George wird uns helfen.«
Es wäre ein vergebliches Bemühen, Näheres von General George zu erfahren, auch wenn Miß Flite nicht bereits die Treppen hinaufgelaufen wäre, den zerdrückten Hut aufzusetzen, ihren armseligen kleinen Schal umzunehmen und sich mit ihrem Strickbeutel voll Dokumenten zu bewaffnen. Wie sie dann in vollem Staat herunterkommt, in ihrer zerstreuten Weise erzählt, General George, den sie oft besuche, kenne ihre liebe Fitz Jarndyce und interessiere sich für alles, was sie beträfe, außerordentlich, glaubt Allan, sie könne doch vielleicht das Richtige gefunden haben. Er sagt daher Jo, um ihm wieder Mut zu machen, das Herumlaufen werde jetzt bald vorbei sein, und sie begeben sich zu dem General. Glücklicherweise ist es nicht weit.
Beim Anblick von Georges Schießgalerie, dem langen Gang und der kahlen Perspektive dahinter faßt Allan Hoffnung. Auch Mr. George, der, gerade mit seiner Morgenpromenade beschäftigt, ohne Halsbinde und mit den vom Fechten und Hantelstemmen gestählten Armen, deren gewaltiges Muskelspiel man durch die Hemdärmel hindurch bemerkt, die Pfeife im Mund, auf ihn zuschreitet, flößt ihm Vertrauen ein.
»Ihr Diener, Sir«, grüßt Mr. George militärisch.
Mit einem freundlichen Lächeln, das bis in das krause Haar hinaufspielt, wendet er sich dann zu Miß Flite, die sehr zeremoniell und wortreich Mr. Woodcourt vorstellt. Er grüßt nochmals militärisch mit einem abermaligen »Ihr Diener, Sir«.
»Entschuldigen Sie, Sir, Sie sind Seemann?«
»Es freut mich, daß Sie finden, ich sähe wie ein solcher aus, aber ich bin nur Schiffsarzt«, entgegnet Allan.
»Wirklich, Sir! Ich hätte Sie für eine regelrechte Blaujacke gehalten.«
Mr. Woodcourt gibt der Hoffnung Ausdruck, Mr. George werde ihm die verursachte Störung deshalb um so bereitwilliger verzeihen und vor allem seine Pfeife nicht weglegen, wozu dieser in seiner Höflichkeit Anstalten gemacht hat.
»Sie sind sehr gütig, Sir«, bedankt sich der Kavallerist. »Da ich aus Erfahrung weiß, daß es Miß Flite nicht stört, und Sie auch nichts dagegen haben...« er schließt den Satz, indem er seine Pfeife wieder zwischen die Zähne steckt. Allan erzählt ihm sodann alles, was er von Jo weiß, und Mr. George hört ernsthaft zu.
»Und das ist der Junge, Sir?« fragt er und wirft einen Blick auf den Eingang, wo Jo die großen Buchstaben an der weißen Wand, die für ihn so gar keine Bedeutung haben, unverwandt anstarrt.
»Das ist er. Und, Mr. George, ich befinde mich nun in folgender Verlegenheit seinetwegen. Ich möchte ihn nicht gern in ein Spital schaffen lassen, selbst wenn ich ihn dort sofort unterbringen könnte, weil ich voraussehe, er würde dort nur wenige Stunden bleiben, wenn er überhaupt hinginge. Ebenso verhält es sich mit dem Armenhaus. Selbst wenn ich die Geduld hätte, mich an der Nase herumführen und von Pontius zu Pilatus schicken zu lassen. Ich kann dem System keinen Geschmack abgewinnen.«
»Das kann niemand, Sir«, nickt Mr. George.
»Ich bin überzeugt, er würde an keinem der beiden Orte bleiben, weil er sich vor dem Mann, der ihm befohlen hat, sich nirgends mehr blicken zu lassen, ganz außerordentlich fürchtet. In seiner Unwissenheit glaubt er nämlich, dieser Mensch sei überall und wisse alles.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Sir«, sagt Mr. George, »aber Sie haben den Namen des Mannes nicht genannt. Ist es ein Geheimnis, Sir?«
»Der Junge wenigstens hält es dafür. Der Mann heißt Bucket.«
»Bucket von der Geheimpolizei, Sir?«
»Ja, derselbe.«
»Ich kenne ihn, Sir!« Der Kavallerist bläst eine mächtige Rauchwolke von sich und dehnt seine Brust gewaltig aus. »Der Junge hat insofern recht, als Bucket zweifellos ein – eigentümlicher Kunde ist.«
Mr. George raucht mit einer bedeutungsvollen Miene weiter und sieht Miß Flite schweigend an.
»Nun wünsche ich, daß Mr. Jarndyce und Miß Summerson wenigstens erfahren, daß Jo, der übrigens eine seltsame Geschichte zu erzählen weiß, wieder aufgefunden ist und daß sie mit ihm sprechen können, wenn sie es für gut befinden sollten. Ich möchte ihn deshalb vorderhand in einer ganz bescheidnen Wohnung bei anständigen Leuten unterbringen. Anständige Leute und Jo, Mr. George«, sagt Allan und folgt den Augen des Kavalleristen, die jetzt wieder nach dem Eingang blicken, »haben bisher nicht viel miteinander zu tun gehabt, wie Sie sehen. Darin liegt die Schwierigkeit. Kennen Sie vielleicht zufällig
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