1370 - Das Vampir-Lager
Der Tod der beiden Männer hatte sich blitzschnell in der Firma herumgesprochen. Es war zu einer großen Lähmung gekommen, auch bei Ray Jenkins, der sich nicht mehr als normaler Mensch fühlte, sondern mehr wie ein Bündel aus Gefühlen, bei denen die Angst überwog.
Er hatte sich in sein Büro verkrochen und wollte dort auf keinen Fall gestört werden. Seine Mitarbeiter waren informiert. Sie würden sich daran halten. Er wusste, dass sich die Polizei noch einmal mit ihm in Verbindung setzen würde, doch er konnte ihr nichts sagen.
Das hatte er schon diesen beiden Yard-Leuten erzählt. Sinclair und ein gewisser Suko. Seine Männer waren ihrem Job nachgegangen.
Sie hatten die normale Tour gefahren, um die Fische bei den Händlern abzuliefern, und dann hatten sie sich umgebracht.
Diese Tatsache wollte ebenfalls nicht aus Jenkins’ Kopf weichen.
Er hockte in seinem Bürosessel am Schreibtisch und schlug in regelmäßigen Abständen immer wieder die Hände vors Gesicht. Es half ihm nicht, sich von dieser Erinnerung zu befreien.
Schließlich hatte er zu einem probaten Mittel gegriffen. Zur Flasche. Einige standen immer in seinem Büroschrank. Es war normaler Whisky, den er wie Wasser trank. Ob es ihm nach den kräftigen Schlucken besser ging, wusste er nicht. Die Gedanken blieben. Er hatte nur den Eindruck, dass sich über sein gesamtes Denken so etwas wie ein Nebel legte, und er erinnerte sich wieder an einen anderen Vorgang, den er beinahe vergessen hatte.
Auf der Ladefläche des Fischtransporters hatte sich eine Leiche befunden. Hätte man annehmen sollen. Aber der Mann war nicht tot gewesen, er hätte es eigentlich sein müssen, wenn es nach bestimmten Regeln gegangen wäre.
Er war es aber nicht. Er hatte erst noch getötet werden müssen.
Zum zweiten Mal.
Das alles war zu viel für den Fischhändler, der zwar in seinem Büro hockte, von dem aus er einen Blick in die große Versteigerungshalle werfen konnte, der jedoch nicht wusste, wie es weitergehen würde. Dieser verdammte Tag war zu einer Horror-Legende geworden, die er nie vergessen würde.
Er ging weiter. Der Abend war da. Bald würde die Dunkelheit kommen und mit ihr die Nacht. Jenkins konnte sich nicht entscheiden, das Büro zu verlassen und nach Hause zu fahren. Er wäre allein in dem großen Haus gewesen. Davor fürchtete er sich. Seine Frau kurte bereits seit einem Monat in der Schweiz, und wie es aussah, würde sie die Zeit noch um das Doppelte verlängern.
Ihm machte es nichts aus. Sie lebten sowieso nebeneinander her.
Hinzu kam, dass sie den Fisch hasste, von dem sie eigentlich lebte.
Schweißnass stand er von seinem Stuhl auf und stellte fest, dass er beim Gehen leicht schwankte. Die beiden kräftigen Schlucke waren wohl etwas zu viel für ihn gewesen.
Durch eine breite Glasscheibe konnte er hinunter in die Halle schauen. Hier wurden in den frühen Morgenstunden die eingelieferten Fische versteigert, die die Transporter in der Nacht noch herangeschafft hatten. Die Käufer fanden auf einem kleinen Podium ihre Plätze. Auf einer großen Leinwand konnten sie sehen, was an Ware angeboten wurde. Dann würden sie bieten oder es auch sein lassen.
Ein paar Stunden war jetzt Ruhe, bevor der große Wirbel wieder losging, denn das Geschäft musste weiterlaufen, trotz der Vorgänge, die er nicht begriff.
Eigentlich brauchte er Schlaf. Daran war jedoch nicht zu denken.
Er sah immer wieder das Bild der beiden Toten vor sich, die wie Puppen im Fahrerhaus gesessen hatten.
Alles in seinem Kopf war nur ein großes Durcheinander, das sich vielleicht irgendwann mal ordnen würde. Aber damit waren die beiden Taten noch nicht geklärt.
Etwas musste passieren. Etwas würde auch passieren, daran glaubte er fest. Jemand steckte dahinter und wollte ihn an der Nase herumführen. Er hatte ihn in ein Spiel mit eingebracht, dessen Regeln er nicht kannte. Die Fahrer hatten eine Leiche mitgebracht, die sich letztendlich nicht als richtige Leiche herausgestellt hatte.
Woher kamen sie? Welches Ziel hatten sie gehabt?
Er war nicht in der Lage, sich irgendwelche Antworten auf diese Fragen zu geben. Vor dem breiten Fenster stand er wie ein Verzweifelter und drückte seine Stirn gegen die Scheibe. Darauf blieb ein feuchter Fleck zurück.
Er wollte etwas tun, handeln, sich bewegen, sich umschauen, aber er wusste nicht, wo er ansetzen sollte. Die Dinge waren ihm aus den Händen geglitten. Wo er auch hinfasste, er griff einfach nur ins Leere.
Auf dieser Ebene lagen
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