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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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immer gut zu mir gewesen, und das ist eben das Wunder.«
    – Allan sieht Jo und die Frau fragend an und wartet, daß eines der beiden ihm das Rätsel lösen werde. –
    »Er hat sich einmal zu mir geflüchtet«, sagt die Frau. »O du, Jo... Und er lag krank bei mir, Sir, unten in St. Albans, und eine junge Dame – Gott segne ihr gutes Herz! – hat sich seiner erbarmt und ihn mit nach Hause genommen...«
    Allan fährt mit plötzlichem Grausen einen Schritt zurück.
    »Ja, Sir, ja! Hat ihn nach Hause genommen und gepflegt, und das undankbare Scheusal ist in der Nacht fortgelaufen und hat nichts mehr von sich sehen oder hören lassen, bis heute. Die junge Dame war so hübsch und hat sich von ihm angesteckt! Sie hat ihr schönes Gesicht verloren, und man würde sie gar nicht mehr wiedererkennen, wenn nicht ihr gutes Herz, ihre hübsche Gestalt und ihre liebe Stimme wären. Weißt du das, du undankbares Geschöpf?! Weißt du, daß alles wegen dir und ihrem Erbarmen zu dir so gekommen ist! ?« fragt die Frau voll Zorn bei der Erinnerung und bricht in leidenschaftliche Tränen aus.
    Der Junge, in seiner verwilderten Art und ganz bestürzt von dem, was er hört, fängt an, sich die Stirn mit seiner schmutzigen Hand zu beschmieren, die Erde anzustarren und von Kopf bis Fuß zu zittern, bis die gebrechliche Planke, an die er sich lehnt, klappert. Allan winkt heimlich der Frau, sich zu beruhigen.
    »Richard hat mir das schon erzählt«, sagt er stockend. »Ich meine, ich habe davon gehört... Achten Sie einen Augenblick nicht auf mich. Ich werde gleich mit Ihnen sprechen.«
    – Er wendet sich weg und blickt eine Weile aus der Sackgasse heraus. Als er zurückkommt, ist er wieder vollkommen gefaßt, nur kämpft er sichtlich gegen eine gewisse Scheu vor dem Knaben an, die so merkwürdig ist, daß sie der Frau auffällt. –
    »Du hörst, was sie sagt. Steh doch endlich auf!«
    Bebend und zähneklappernd steht Jo langsam auf und steht, wie Menschen seiner Art, wenn sie in einer Klemme sind, mit der Schulter an die Planke gedrückt und reibt sich mit dem linken Fuß den rechten.
    »Du hörst, was sie sagt, und ich weiß, daß es wahr ist. Bist du seitdem hier gewesen?«
    »I will augenblicklich tot umfalln, wenn i vor heut morgen 'Toms Einöd' wiedergsehn hab«, beteuert Jo mit heiserer Stimme.
    »Weshalb bist du jetzt hergekommen?«
    Jo schaut sich in der Sackgasse um, sieht dann den Fragenden an, aber nicht höher als bis zum Knie, und antwortet endlich:
    »I weiß net, was anfangen, und krieg nix zu tun. I bin sehr arm und krank und hab mi zurückschleichen wolln, wann noch neamd auf is. I hab mi verstecken wollen, bis s dunkel wird, und dann zu Mr. Sangsby gehen und mir was von ihm ausbetteln. Er hat mir immer gern was gebn, wenn auch Mrs. Sangsby immer hinter mir drein gewesen is, wie alle Leut überall.«
    »Wo kommst du her?«
    Jo sieht sich wieder in der Sackgasse um, blickt wieder das Knie des Fragenden an und lehnt schließlich resigniert den Kopf seitwärts an die Planke.
    »Hast du nicht gehört? Wo du jetzt herkommst?«
    »Rumgstrichn bin i.«
    »Sag mir jetzt«, fährt Allan fort, zwingt sich, seine Scheu zu überwinden, tritt nahe an Jo heran und bückt sich freundlich über ihn. »Sag mir jetzt, warum bist du eigentlich aus dem Hause entflohen, als die gutherzige junge Dame das Unglück hatte, dich aus Mitleid mitzunehmen?«
    Jo erwacht plötzlich aus seiner Resignation und erklärt in großer Aufregung der Frau, daß er nie von der jungen Dame vorher gewußt oder gehört habe, ihr nie ein Leid habe tun wollen und sich lieber den Kopf abhacken lassen möchte, als ihr Böses zuzufügen. Sie sei sehr gut gegen ihn gewesen, sehr gut. Und er benimmt sich dabei in seiner verwilderten Art, daß man sehen kann, wie ernst es ihm ist, und schließt dann mit einem kläglichen Schluchzen.
    Allan Woodcourt sieht, daß das keine Verstellung ist. Er überwindet sich und faßt den Jungen an. »Komm, Jo, sag es mir!«
    »Na. I darf net«, sagt Jo und drückt sich wieder an die Planke. »I darf net, sonst möcht i s schon sagen.«
    »Aber ich muß es doch wissen. Trotzdem! Komm, Jo, sag es nur.«
    Nach wiederholtem Drängen hebt Jo wieder den Kopf, schaut sich wieder in der Sackgasse um und sagt halblaut: »No, i will Ihnen was sagen. Er hat mi fortgeholt. Das is s.«
    »Fortgeholt? In der Nacht?«
    »Mhm!« – Voll Angst, es könne ihn jemand belauschen, schaut Jo besorgt umher, und auf den Rand der Planke hinauf, und

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