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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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herzlichen Ton wiedergefunden und ergriff meine Hände mit dem brüderlichen Gefühl, das nichts wanken machen konnte – »daß ich mich vor ihr nicht verstellen kann. Ich schwanke ein wenig, es ist ja wahr. Manchmal hoffe ich, liebe Esther, und manchmal – bin ich ganz verzweifelt. Aber nur scheinbar. Ich werde so müde...« Er ließ sanft meine Hand fallen und ging im Zimmer auf und nieder... Dann warf er sich auf das Sofa.
    »Ich werde so müde«, wiederholte er trüb. »Es ist eine aufreibende, aufreibende Arbeit.«
    Er stützte sich auf seinen Arm, seine Augen suchten den Boden, und er sagte diese Worte in einem so nachdenklichen Ton, daß mein Liebling aufstand, den Hut abband, neben ihm niederkniete, daß ihr goldblondes Haar wie Sonnenlicht auf sein Haupt herniederfiel, ihn mit ihren beiden Armen umschlang und mir ihr Gesicht zuwendete. – Welche Liebe und Hingebung lag in diesem Antlitz! –
    »Liebe Esther«, sagte sie sehr ruhig, »ich gehe nicht wieder nach Hause.«
    Mir ging plötzlich ein Licht auf.
    »Nein, niemals wieder. Ich bleibe bei meinem lieben Gatten. Wir sind jetzt zwei Monate verheiratet. Geh nach Hause ohne mich, meine liebe Esther. Ich werde nie mehr wieder zurückkommen.«
    Mit diesen Worten zog sie sein Haupt an ihre Brust und ließ es dort ruhen. Und wenn ich jemals in meinem Leben eine Liebe gesehen habe, die nur der Tod trennen kann, sah ich sie jetzt in ihrem Gesicht.
    »Sprich mit Esther, meine liebe Ada«, unterbrach Richard das Schweigen. »Erzähle ihr, wie alles gekommen ist.«
    Ich hob sie auf und schloß sie in meine Arme. Keins von uns sprach; ihre Wange ruhte an der meinen, und ich wollte nichts hören.
    »Mein Herz«, sagte ich. »Mein Liebling. Mein armes, armes Kind!«
    Ich bedauerte sie so sehr. Ich hatte Richard sehr gern, aber es drängte mich innerlich, sie tief zu bemitleiden.
    »Esther, kannst du mir verzeihen ? Wird mir Vetter John verzeihen?«
    »Liebes Kind, daran auch nur einen Augenblick zu zweifeln, hieße ihm ein schweres Unrecht tun. Und was mich betrifft...«
    Was mich betraf, was hatte ich zu verzeihen?
    Ich trocknete meinem schluchzenden Liebling die Tränen und setzte mich neben sie auf das Sofa, und Richard saß auf meiner andern Seite. Ganz so wie damals an jenem denkwürdigen Abend, wo sie mich ins Vertrauen gezogen und mir in ihrer jungen Begeisterung von ihrer Liebe geschwärmt hatten, erzählten sie mir, wie es gekommen war.
    »Alles, was ich hatte, gehörte doch Richard«, sagte Ada, »aber er wollte es nicht annehmen, und was konnte ich da anderes tun, als seine Frau werden, wo ich ihn so innig liebte?«
    »Und Sie waren so vollkommen von guten Werken in Anspruch genommen, Mütterchen«, erklärte Richard, »daß wir uns nicht entschließen konnten, Ihnen damals etwas davon zu sagen. Und überdies hatten wir nicht lange Zeit zur Überlegung. Wir gingen eines Morgens aus und ließen uns trauen.«
    »Und als es geschehen war, Esther«, fiel mein Liebling ein, »sann ich beständig darüber nach, wie ich es dir am besten mitteilen sollte. Manchmal glaubte ich, du müßtest es auf der Stelle erfahren, und manchmal wieder, es dürfte nie sein und ich müßte es vor meinem Vetter John verheimlichen, und so schwankte ich unentschlossen hin und her, und es quälte mich sehr.«
    – Wie selbstsüchtig mußte ich gewesen sein, daß ich nicht vorher daran gedacht hatte! –
    Ich wußte nicht, was ich jetzt dazu sagen sollte. Es tat mir so leid, und doch hatte ich sie beide so lieb und freute mich, daß sie so aneinander hingen; ich bedauerte sie so sehr und empfand es doch wie Stolz, daß sie sich liebten. Noch nie haben in mir so schmerzliche und milde Empfindungen zu gleicher Zeit gekämpft, und ich wußte nicht, welches Gefühl das stärkere war. Aber eins war sicher, ich durfte ihren Lebensweg nicht verfinstern.
    Als ich gefaßter geworden war, nahm mein Herzenskind ihren Trauring aus dem Busen, küßte ihn und steckte ihn an den Finger. Ich erinnerte mich an den gestrigen Abend und sagte Richard, sie habe ihn seit ihrer Verheiratung beständig im Schlafe getragen, und als Ada mich errötend fragte, woher ich das wisse, erzählte ich ihr, wie ich gesehen, und ohne zu ahnen, warum, daß sie die Hand unter dem Kissen versteckt gehalten hatte.
    Dann fingen sie mir wieder an zu erzählen, wie alles gekommen war, und ich wurde wieder betrübt und erfreut und wieder ganz kindisch und mußte mein Gesicht verbergen, so gut es ging, um ihnen nicht allen

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