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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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sagte Mr. Woodcourt. »Aber was wir auch von ihm glauben oder wissen, wir dürfen nicht vergessen, daß der Schein gegen ihn spricht. Er war dem Ermordeten durchaus nicht wohlgesinnt und hat das offen bei allen möglichen Gelegenheiten geäußert. Er soll ihn heftig angefahren haben und sprach sich auch einmal mir gegenüber haßerfüllt über ihn aus. Er gibt zu, fast in der Minute an dem Ort, wo der Mord vorgefallen ist, das heißt, begangen worden sein muß, allein gewesen zu sein. Aber trotz alledem möchte ich darauf schwören, daß er an dem Mord so unschuldig ist wie ich. Leider jedoch sind die erwähnten Gründe danach angetan, den Verdacht auf ihn fallen zu lassen.«
    »Sehr wahr«, sagte mein Vormund und wendete sich an mich. »Und wir würden ihm einen sehr schlechten Dienst leisten, meine Liebe, wenn wir auch nur hinsichtlich eines dieser Punkte unsre Augen der Wahrheit verschließen wollten.«
    Ich fühlte natürlich die Richtigkeit dieser Worte vollkommen. Dennoch wüßte ich – konnte ich mich nicht enthalten zu sagen –, daß alle diese Verdachtsmomente uns nicht bewegen dürften, ihn in seiner Not im Stiche zu lassen.
    »Gott sei vor«, entgegnete mein Vormund. »Wir wollen bei ihm aushalten, wie er selbst bei den beiden armen Geschöpfen, die jetzt tot sind, es getan hat.« – Er meinte Mr. Gridley und Jo. –
    Mr. Woodcourt erzählte uns dann, daß der Gehilfe des Kavalleristen vor Tagesanbruch bei ihm gewesen war, nachdem er die ganze Nacht wie ein Wahnsinniger in den Straßen umher geirrt sei. Wie eine Last habe Mr. George die Sorge auf der Seele gelegen, daß wir ihn für schuldig halten könnten. Deshalb habe er seinen Gehilfen beauftragt, uns seiner vollkommensten Unschuld mit den feierlichsten Beteuerungen zu versichern. Und Mr. Woodcourt habe den Mann nur durch das feste Versprechen beruhigen können, uns diese Botschaft schon zeitig am Morgen überbringen zu wollen. Er sei soeben im Begriff, setzte er hinzu, den Gefangnen zu besuchen.
    Mein Vormund erklärte, sofort mitgehen zu wollen. Und was mich betraf, hatte ich außer einer herzlichen Sympathie für den ehemaligen Soldaten, die auf Gegenseitigkeit zu beruhen schien, das geheime Interesse, das nur mein Vormund kannte, an dem Geschehnis. Ich hatte das Gefühl, daß es mich nahe angehe, und es schien mir eine Sache von großer Wichtigkeit für meine Person zu sein, daß die Wahrheit entdeckt werde und kein Unschuldiger in Verdacht komme; denn verwirrten sich einmal die Pfade der Wahrheit, wer weiß, –wie weit dann noch alles führen konnte.
    Mit einem Wort, mein Pflichtgefühl sagte mir, daß ich sie begleiten müßte, und da mein Vormund es mir nicht ausredete, ging ich mit.
    Es war ein großes Gefängnis mit vielen Höfen und Gängen, einander so ähnlich und so ermüdend gleichförmig gepflastert, daß ich zu begreifen anfing, wie einsame Gefangene, wenn sie viele Jahre lang immer in denselben kahlen Wänden eingekerkert vertrauern, ein Pflänzchen oder einen einzelnen Grashalm, wie ich oft gelesen, lieb gewinnen konnten.
    Allein in einem gewölbten Raum, der einem Keller über der Erde glich, mit so grellweißen Wänden, daß das starke eiserne Gitter vordem Fenster und die schwere Eisentür dadurch noch tiefer schwarz aussahen, fanden wir den Kavalleristen in einer Ecke stehen. Er hatte dort auf einer Bank gesessen und war aufgesprungen, als er die Schlösser und Riegel hatte rasseln hören.
    Als er uns sah, kam er uns mit seinem gewohnten, wuchtigen Gang zwei Schritte entgegen, blieb dann stehen und machte eine zögernde Verbeugung. Aber als ich auf ihn zukam und ihm meine Hand entgegenstreckte, erhellte sich sogleich seine Miene.
    »Es fällt mir ein Stein vom Herzen, versichere ich Ihnen, Miß, und Ihnen, meine Herren«, sagte er, holte tief Atem und begrüßte uns mit großer Herzlichkeit. »Und jetzt ist es mir einerlei, wie die Sache endet.«
    – In seiner Ruhe und mit seiner soldatischen Haltung sah er viel eher wie ein Kerkermeister als wie ein Gefangener aus. –
    »Das ist womöglich ein noch unfreundlicherer Ort als meine Schießgalerie, um den Besuch einer Dame zu empfangen, aber ich weiß, Miß Summerson wird sich daran nicht stoßen.« Er führte mich zu der Bank, auf der er gesessen hatte, und daß ich Platz nahm, schien ihn sehr zu freuen und zu befriedigen.
    »Ich danke Ihnen, Miß«, sagte er.
    »Nun, George«, bemerkte mein Vormund, »da wir keiner neuen Beteuerung Ihrerseits bedürfen, so glaube ich,

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