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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Anspruch, und ich ging, das Schlüsselkörbchen am Arm, durch die Korridore, da rief mich Mr. Jarndyce in ein kleines Stübchen, das neben seinem Schlafzimmer lag und zum Teil eine kleine Bibliothek mit Büchern und Papieren war, teils ein kleines Museum von Stiefeln, Schuhen und Hutschachteln.
    »Setzen Sie sich, liebes Kind«, sagte er. »Sie müssen wissen, das ist mein Brummstübchen. Wenn ich schlechter Laune bin, gehe ich hierher und brumme.«
    »Dann müssen Sie also sehr selten hier sein, Sir«, sagte ich.
    »O, Sie kennen mich noch nicht. Wenn ich enttäuscht bin oder verstimmt – es liegt am Wind –, so flüchte ich mich hierher. Das Brummstübchen wird von allen Zimmern im Hause am meisten benützt. Sie kennen meine Launen noch nicht zur Hälfte, aber Gott, wie Sie zittern, mein Kind.«
    – Ich konnte nichts dafür, ich nahm mich sehr zusammen, aber als ich mich allein sah mit diesem gütigen Menschen und in seine wohlwollenden Augen blickte und mich so glücklich, so geehrt und mein Herz so voll fühlte, küßte ich ihm die Hand. –
    Ich weiß nicht, was ich sagte, überhaupt nicht, ob ich sprach. Er geriet ganz außer Fassung und ging ans Fenster – ich glaubte fast in der Absicht hinauszuspringen –, dann drehte er sich um, und ich sah in seinen Augen, was er hatte verbergen wollen. Er streichelte mir sanft das Haar, und ich setzte mich.
    »Gut, schon gut!« sagte er. »Es ist schon vorbei. Bah, seien Sie doch kein Kind!«
    »Es soll nicht wieder geschehen, Sir«, stotterte ich, »aber anfangs ist es so schwer...«
    »Unsinn, Esther. Es ist leicht, ganz leicht. Warum auch nicht? Ich höre von einem guten kleinen verwaisten Mädchen ohne Beschützer und setze mir in den Kopf, ihm beizustehen. Sie wächst, übertrifft noch meine gute Meinung, und ich bleibe ihr Vormund und ihr Freund. Was ist da weiter? Also! Jetzt haben wir die Geschichte erledigt.«
    Ich sagte zu mir: Esther, ich wundere mich über dich. Das hätte ich nicht von dir erwartet. Und die gute Wirkung war, daß ich die Hände über mein Körbchen faltete und wieder ganz ruhig wurde. Mr. Jarndyce sah sehr froh darüber aus und fing an, so vertraulich mit mir zu sprechen, als ob wir schon seit langem jeden Morgen beisammen gewesen wären.
    »Diese Kanzleigerichtsgeschichte verstehen Sie natürlich nicht, Esther?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht, wer sie überhaupt versteht«, fuhr er fort. »Die Advokaten haben sie so bodenlos verwirrt, daß die ursprüngliche Prozeßangelegenheit längst von der Erde verschwunden ist. Es handelte sich um ein Testament oder eine Hinterlassenschaft. Jetzt handelt es sich nur noch um Kosten. Wir werden beständig vorgeladen und wieder entlassen, müssen schwören, Eingaben machen und Gegeneingaben, irgend etwas beweisen, besiegeln, beantragen und berichten, uns um den Lordkanzler und alle seine Trabanten drehen und uns nach bestmöglicher Rechtsform in einen staubigen Tod walzen lassen. Alles nur wegen der Kosten. Darum handelt es sich jetzt. Alles übrige ist auf wunderbare Weise spurlos verschwunden.«
    »Aber es handelte sich um ein Testament«, erinnerte ich ihn, da er wieder anfing, sich durch die Haare zu fahren.
    »Nun ja, es handelte sich um ein Testament, wenn überhaupt um irgend etwas Greifbares. Ein gewisser Jarndyce erwarb sich in einer bösen Stunde ein großes Vermögen und machte ein langes Testament. Über der Frage, wie die durch dieses Testament gestifteten Legate zu verwalten seien, verfliegt das Vermögen selbst in der Luft; die Erben geraten in eine so jämmerliche Lage, als ob sie sich eines großen Verbrechens schuldig gemacht hätten, und das Testament selbst sinkt zu einem toten Buchstaben herab. In dem ganzen beklagenswerten Rechtsstreit wird alles, was jeder der Beteiligten mit Ausnahme eines einzigen bereits weiß, an diesen einzigen, der es nicht weiß, gewiesen, um es herauszufinden. Jeder einzelne muß immer und immer wieder Abschriften des ganzen Falles bekommen, was sich zu Wagenladungen von Papier aufhäuft, und muß sie bezahlen, auch wenn er sie nicht bekommt, was gewöhnlich der Fall ist, denn niemand verlangt danach, muß aber den höllischen Tanz von Kosten und Spesen und Unsinn und Korruption durchtanzen, wie ihn noch kein Hexensabbat je ausgeheckt hat. Das römische Recht fragt das bürgerliche Recht, und das bürgerliche Recht fragt wieder das römische. Das bürgerliche Recht entdeckt, daß es dies, und das römische Recht, daß es jenes nicht

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