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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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tun kann. Beide entschließen sich aber nicht zu sagen, daß sie beide zusammen nichts tun können, ehe nicht für A ein Solizitor bestellt ist und ein Advokat erscheint und für B desgleichen. So geht es das ganze Alphabet hindurch. Auf diese Art dauert es Jahre und Menschenalter und fängt immer wieder von vorne an und wird nie fertig. Und wir können uns unter keinen Umständen von dem Prozeß freimachen, denn man hat uns zu Parteien gepreßt, und wir müssen Parteien sein, ob wir wollen oder nicht... Aber es ist nicht gut, daran zu denken. Als mein Großonkel, der arme Tom Jarndyce, daran zu denken anfing, war es der Anfang vom Ende.«
    »Derselbe Mr. Jarndyce, dessen Geschichte ich gehört habe?«
    Er nickte ernst.
    »Ich war sein Erbe, und dies ist sein Haus gewesen, Esther. Als ich hierherkam, war es wirklich unheimlich hier. Darum heißt es Bleakhaus, das unheimliche Haus. Er hatte die Zeichen seines Jammers allerwärts hier aufgedrückt.«
    »Wie verändert muß es jetzt sein«, sagte ich.
    »Es hat vordem das Hohe Haus geheißen. Er gab ihm seinen jetzigen Namen und wohnte hier ganz zurückgezogen. Tag und Nacht brütete er über den niederträchtigen Aktenhaufen des Prozesses und wähnte, allem gesunden Menschenverstand entgegen, ihn entwirren und zu Ende bringen zu können. Dabei verfiel das Haus. Der Wind pfiff durch die gesprungenen Mauern, der Regen strömte durch das baufällige Dach, und das Unkraut verwehrte den Weg zu den verfaulenden Türen. Als ich seine Leiche hierherbrachte, schien auch dem Hause das Gehirn aus dem Kopf geschossen zu sein, so zerfetzt und trümmerhaft sah es aus.«
    Er ging ein Weilchen auf und ab, nachdem er dies mit einem Schauder mehr zu sich selbst gesagt hatte... Dann sah er mich an, seine Mienen hellten sich auf, und er setzte sich wieder hin, die Hände in die Taschen gesteckt.
    »Ich sagte Ihnen, dies sei das Brummstübchen, mein Kind. Wo bin ich stehen geblieben?«
    Ich erinnerte ihn an die wohltätige Veränderung in Bleakhaus.
    »Ja richtig, Bleakhaus. In der City von London haben wir auch noch eine Besitzung, die jetzt so aussehen muß wie damals Bleakhaus. Ich sage, wir haben eine Besitzung, das heißt, der Prozeß hat sie, denn die Kosten sind die einzige Macht auf Erden, die jemals etwas anderes davon bekommen wird als Augenweh oder Herzeleid. Der Besitz besteht aus einer Straße verfallender blinder Häuser, denen die Augen ausgeschlagen sind – ohne Glasscheiben, ohne Fensterrahmen, nur mit kahlen Läden versehen, die aus ihren Angeln herunterhängen und auseinanderfallen. Der Rost schält sich in Flocken von dem Eisengitter ab; die Schornsteine fallen zusammen, die steinernen Stufen vor jeder Tür sind mit grünem Moder überzogen, und selbst die Stützen, die die Ruinen am Zusammenstürzen hindern, fangen schon an zu faulen. Obgleich Bleakhaus keinen Kanzleiprozeß hatte, so führte doch sein Herr einen, und es ist gebrandmarkt mit demselben Siegel. Das sind die Abdrücke des Großen Siegels, das in ganz England jedes Kind kennt.
    »Wie verändert es ist«, sagte ich wiederum.
    »Nun ja, das ist es«, antwortete er viel heiterer jetzt als vorhin, »und es ist sehr weise von Ihnen, mich immer wieder auf die Lichtseite des Bildes aufmerksam zu machen. Übrigens, das sind Angelegenheiten, von denen ich nie spreche, an die ich kaum denke, außer im Brummstübchen hier. Wenn Sie es für angezeigt halten, Rick und Ada davon zu erzählen, so überlasse ich es ganz Ihrem Urteil, Esther.«
    »Ich hoffe, Sir, daß...«
    »Wollen Sie mich nicht du und Vormund nennen, liebe Esther?«
    Ich fühlte wieder, daß mir etwas die Kehle zuschnürte. Aber er gab sich den Anschein, als sage er es nur so leichthin, als bloße Laune und nicht als überlegte, aus Herzensgrund kommende Güte.
    Ich ließ meine Wirtschaftsschlüssel klingeln, um mich an meine Schuldigkeit zu erinnern, und faltete meine Hände noch ein wenig entschlossener über dem Körbchen und zwang mich, ihn ruhig anzusehen.
    »Ich hoffe, Vormund«, sagte ich, »du wirst auf meine Klugheit nicht zu viel bauen, und ich hoffe, ich werde dich nicht enttäuschen. Ich fürchte immer, du wirst unangenehm überrascht sein, wenn du herausfindest, daß ich nicht besonders gescheit bin – aber es ist wirklich so, und du würdest selbst bald dahinterkommen, wenn ich es dir jetzt nicht selbst eingestünde.«
    Er schien von meinen Worten durchaus nicht unangenehm überrascht zu sein; ganz im Gegenteil. Er sagte mir, und sein

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