Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
'Weiß ich nicht genau' können wir nicht brauchen. In einem Gerichtshof können wir mit dergleichen nichts anfangen, meine Herren. Schreckliche Herabgekommenheit. Schaffen Sie den Jungen weg.«
    Der Knabe tritt ab zur großen Erbauung der Zuhörerschaft – besonders des kleinen Swills, des komischen Sängers.
    »Nun, sind noch andre Zeugen da?«
    Es sind keine andern Zeugen da.
    »Also, meine Herren! Hier ist ein unbekannter Mann infolge Genusses einer zu großen Menge Opium tot aufgefunden worden. Er ist überwiesen, seit anderthalb Jahren aus Gewohnheit Opium in großen Mengen genossen zu haben. Wenn Sie aus den Zeugenaussagen schließen zu dürfen glauben, daß er Selbstmord begangen hat, so haben Sie dementsprechend Ihren Wahrspruch zu fällen. Wenn Sie meinen, es handle sich um einen Zufall, so haben Sie ein dementsprechendes Verdikt zu fällen.«
    Man fällt das entsprechende Verdikt. Selbstmord aus Zufall. Kein Zweifel.
    »Meine Herren, Sie sind entlassen. Guten Nachmittag.«
    Während der Totenbeschauer seinen Überrock zuknöpft, geben er und Mr. Tulkinghorn dem zurückgewiesenen Zeugen in einer Ecke eine Privataudienz. Dieses allen menschlichen Liebreizes bare Geschöpf weiß nur, daß der Tote, den es an seinem gelben Gesicht und schwarzen Haar soeben erkannt hat, manchmal von den Kindern auf der Straße verhöhnt und verfolgt wurde. An einem kalten Winterabend, als es in einem Torwege nicht weit von seinem Straßenübergang vor Kälte zitternd gekauert, habe sich der Mann nach ihm umgesehen, es ausgefragt und erfahren, daß es keinen Freund auf der Welt habe. Darauf hätte er gesagt: Ich auch nicht. Nicht einen! und hätte ihm Geld zu einem Abendessen und einem Obdach für die Nacht gegeben.
    Seitdem hätte der Mann oft mit ihm gesprochen und ihn gefragt, ob er in der Nacht schlafen könnte, wie er Kälte und Hunger vertrüge und ob er sich den Tod wünsche, und ähnliche seltsame Fragen. Und manchmal hätte er im Vorbeigehen zu ihm gesagt: »Ich bin heute so arm wie du, Jo.« Wenn er aber Geld gehabt, habe er immer welches gegeben – und sehr gern. (Wie der Knabe fest überzeugt sei.)
    »Er war sehr gut gegen mich.« Jo wischt sich mit dem zerlumpten Ärmel die Augen. »Wann i n so als a Toter daliegen siech, möcht i, er könnts hören. Er war immer so gut gegen mich.«
    Wie er die Treppe hinunterschlottert, drückt ihm Mr. Snagsby, der im Hinterhalt auf ihn wartet, eine halbe Krone in die Hand.
    »Wenn ich einmal mit meiner kleinen Frau – ich meine mit einer Dame – an deinem Straßenübergang vorbeikomme«, sagt Mr. Snagsby, den Finger an der Nase, »dann kennst du mich nicht, hörst du!«
    Die Geschworenen bleiben noch eine Zeitlang in ernstem Gespräch in der Nähe der »Sonne«. Später findet man ein halbes Dutzend von ihnen in eine Wolke von Tabakqualm gehüllt, die das Gastzimmer der »Sonne« durchräuchert; zwei trollen nach Hampstead und vier kommen überein, da halber Preis ist, ins Theater zu gehen und den Abend mit Austern zu beschließen. Der kleine Swills wird allerseits traktiert. Gefragt, was er von der Verhandlung halte, nennt er sie einen »krumpen Start« – er ist berühmt wegen seines Witzes. Der Wirt der »Sonne« empfiehlt den kleinen Swills, als er sieht, wie populär er ist, höchlichst den Geschworenen und dem Publikum und beteuert, daß er in charakteristischen Liedern nicht seinesgleichen habe und für seine Charaktergarderobe einen ganzen Wagen brauche.
    So verschmilzt allmählich die »Sonne« in die schattige Nacht und strahlt gewaltig im Gaslicht. Die Stunde der Harmonischen Gesellschaft naht. Der Gentleman mit dem hohen künstlerischen Ruf setzt sich in den Präsidentenstuhl vis à vis dem kleinen Swills mit dem roten Gesicht; seine Freunde scharen sich um sie und unterstützen das Talent ersten Ranges. Im Zenit des Abends sagt der kleine Swills:
    »Gentlemen, wenn Sie mir erlauben, will ich eine kurze Beschreibung einer wirklichen Szene aus dem Löben, deren Zeuge ich heute war, versuchön.« Großer Beifall und Ermunterung werden ihm. Er verläßt das Zimmer als Swills und kommt als Totenbeschauer wieder herein und sieht ihm nicht im geringsten ähnlich; er beschreibt die Totenschau mit Zwischenspiel auf dem Pianoforte mit dem Refrain: Tippy toi li doll, tippy toi lo doll, tippy toi li doll, Dee! den er dem Totenbeschauer in den Mund legt.
    Das Klaviergeklimper schweigt endlich, und die harmonischen Freunde sinken in ihre Kissen.
    Ruhe herrscht um den

Weitere Kostenlose Bücher