Bleib bei mir, Gabriella
Gesprächsthema fand. „Rafe hat erzählt, dass Ihr Mann Polizist war“, sagte sie und reichte seiner Mutter den Salat.
Lena nickte. „Ja, er war ein guter Polizist. Aber es ist ein gefährlicher Beruf; deshalb wollte ich nicht, dass Rafe in die Fußstapfen seines Vaters tritt.“
„Das kann ich gut verstehen“, antwortete Gabby. „Bestimmt machen Sie sich jeden Tag Sorgen und zucken jedes Mal zusammen, wenn das Telefon läutet.“
Rafes Mutter sah ihr in die Augen. „Genau. Sie verstehen es wirklich.“
„Ich weiß, das ist nicht zu vergleichen, aber mein Vater war viel unterwegs, als ich klein war. Immer wenn er fort war, hatte ich Angst, dass er nicht nach Hause kommt.“
Rafe hatte sein Jackett ausgezogen und die Krawatte abgenommen. Jetzt zeigte seine Mutter dorthin, wo er beides abgelegt hatte. „Wo warst du heute Abend? Oder soll ich nicht fragen? Als er noch beim Secret Service war, durfte ich keine Fragen stellen“, erklärte sie.
„Fragen durftest du schon“, stellte Rafe richtig. „Ich durfte sie nur nicht beantworten.“
Gabby lächelte. „Ich musste einen Vortrag vor Unternehmerinnen halten. Niemand ist vorzeitig gegangen; also habe ich es wohl einigermaßen hinbekommen.“
„Du warst gut. Ich war überrascht, wie viel du darüber weißt“, warf Rafe ein.
„Jede Frau sollte sich damit auskennen“, sagte seine Mutter. „Als mein Mann starb, war ich vollkommen hilflos. Rafe hat sich um alles gekümmert. Die Rechnungen, die Versicherung, alles. Aber meine Tochter Julie hat mir sehr geholfen, und jetzt erledige ich alles ganz allein.“ Sie sah ihren Sohn an. „Hast du erzählt, dass ich als Näherin für eine Reinigung arbeite?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, Ich habe Gabby nur von deinem leckeren Essen vorgeschwärmt.“ Er zwinkerte seiner Mutter zu.
Danach entspannte Gabby sich zusehends. Jedenfalls tat sie das, wenn Rafe nicht gegen ihren Arm stieß und sein Bein nicht ihres streifte. Dann starrte sie in seine braunen Augen und fragte sich, welche Geheimnisse er hatte, wer ihm in der Vergangenheit das Herz gebrochen hatte, und welche Freuden er mit ihr teilen konnte.
Wenn sie in seiner Nähe war, stieg eine Sehnsucht in ihr auf, von der sie nicht wusste, was sie bedeutete. So hatte sie sich noch nie gefühlt – als wollte sie alles über einen Mann wissen, stundenlang mit ihm reden und sich an ihn kuscheln. Zwischen ihr und Rafe bestand mehr als rein sexuelle Anziehung, da war sie absolut sicher. Aber vielleicht war ihm das noch gar nicht bewusst. Vielleicht durchschaute er ihre Fassade nicht.
Nach dem Essen räumte Rafe den Tisch ab und brachte den Müll hinaus.
Gabby musste lächeln.
Auch Lena lächelte. „Sein Vater hat ihm beigebracht, ein richtiger Mann zu sein.“
Beide Frauen lachten.
„Im Ernst“, fügte Lena hinzu. „Mein Mann war ein gutes Vorbild.“
„Rafe ist ein guter Mann“, sagte Gabby leise.
Seine Mutter verstaute die Reste im Kühlschrank und wandte sich wieder Gabby zu. „Hat er Ihnen von Connie erzählt?“
„Nein.“ Sie fragte sich, wer Connie war. Seine erste Liebe? Die Liebe seines Lebens? Eine Ehefrau?
„Ich dachte, wenn er Ihnen von seinem Vater erzählt hat, dann vielleicht auch von Connie. Na ja, vielleicht holt er es nach.“
Aber Gabby wusste, dass sie und Rafe nicht mehr viel Zeit dazu hatten. Als ihr Blick auf einen halb fertigen Knüpfteppich auf einem Tisch im Flur fiel, wechselte sie das Thema. „Das sind wunderschöne Farben. Wie ein Sonnenuntergang.“
Lena strahlte. „Genau das wollte ich. Einen Sonnenuntergang.“ Sie ging hinüber und hielt ihn vorsichtig hoch.
„Durch das Wellenmuster wirken die Farben kräftiger.“
„Den mache ich für eine Kundin in der Reinigung. Ich habe ein paar Bestellungen. Ich arbeite abends und am Wochenende daran, während ich fernsehe. In der Wohnung, die Rafe seit dem College hat, liegt auch einer. Und ich habe einen weggelegt, den er bekommt, wenn er eine Familie gründet. Möchten Sie ihn sehen?“
„Gern.“
Lena zeigte den Flur entlang. „Kommen Sie mit in mein Nähzimmer.“
Gabby folgte an der Treppe und dem Wohnzimmer vorbei in einen kleineren Raum mit einer Nähmaschine und einem Tisch voller Garn. Lena öffnete einen Schrank und nahm den in Plastikfolie verpackten Teppich heraus. Der Flor war in einem farbenfrohen Diamantmuster gehalten.
„Der ist wirklich sehr hübsch.“ Gabby schmeichelte Lena nicht. Sie fand ihn wirklich schön. „Er passt zu allen
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