Bleib bei mir, Gabriella
mich darüber wundere, dass du nicht in einem Penthouse in Rom wohnst oder deine Mutter vermisst oder lieber bequeme Sachen statt Designerkleider trägst. Du hast ein Image von dir in die Welt gesetzt, und das Bild hat jeder im Kopf. Trotzdem erwartest du, dass ich – nach weniger als vierundzwanzig Stunden – weiß, wer du wirklich bist.“
„Du hast doch auch ein ganz bestimmtes Image“, entgegnete sie. „Du warst beim Secret Service, und jeder hat eine Vorstellung von den Leibwächtern des Präsidenten. Ich wette, du erzählst deinen Kunden keine Einzelheiten über dein Privatleben. Trotzdem weiß ich nach einem Tag schon viel mehr über dich.“
„Du kennst mich nicht.“
„Vielleicht sogar besser, als du denkst. Ich weiß, dass du ein anständiger Mann bist, dass du deinen Vater bewundert hast und wie er sein wolltest. Ich weiß, dass du deine Schwester respektierst und deine Mutter liebst. Das alles macht deine Persönlichkeit aus, findest du nicht?“
Rafe wich ihrem forschenden Blick aus. Wusste sie zu viel über ihn?
„Warum hast du mich zu deiner Mutter mitgenommen?“, fragte Gabby leise.
Er ließ sich mit der Antwort Zeit. „Ich wollte, dass du dich entspannst und satt isst. Und das tust du im Hotel nicht.“
„Woher willst du das wissen?“ Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern öffnete die Wagentür und stieg ein. Manchmal brauchte Kommunikation keine Worte. Auch zwischen ihnen beiden gab es stumme Botschaften. Das wusste Rafe. Er wollte es sich nur nicht eingestehen. Er wollte nicht wahrhaben, dass er jemanden wie sie vielleicht sogar mochte.
Und wenn schon, dachte Gabby. Sie und Rafe würden die nächsten Wochen irgendwie miteinander auskommen. Sie würde auf Distanz gehen, dann würden sie beide die Zeit heil überstehen.
„Lass mich erst die Suite überprüfen.“
Gabby wusste, dass Rafes Worte keine Bitte, sondern ein Befehl waren.
„Die Luft ist rein!“, rief er Sekunden später auf den Flur.
Sie ging hinein, als wäre dies eine ganz normale Situation. Aber das war es nicht. Auf der Rückfahrt von seiner Mutter hatten sie beide kein Wort gesprochen. Jetzt mussten sie miteinander reden. Schließlich lebten sie in gewisser Weise zusammen.
Gabby war viel zu aufgedreht, um zu Bett zu gehen. „Ich checke meine E-Mails, bevor ich mich hinlege.“ Dann fiel ihr ein, dass er auf der Couch übernachtete. „Es sei denn, du willst gleich schlafen.“
„Kein Problem. Ich mache mein Bett.“
Sein Bett. Mitten im Wohnzimmer. Hoffentlich war das Nachbarzimmer morgen frei. Das würde ihnen mehr Raum zum Atmen geben.
„Wenn du duschen willst, nur zu. Ich weiß, es muss hart sein, kein eigenes Zimmer zu haben.“ Fast hätte sie sich auf die Schulter geklopft, weil sie es schaffte, so unbeschwert zu klingen.
„Gute Idee. Fünf Minuten, länger brauche ich nicht“, sagte er, und sie erriet, was er dachte – dass sie eine halbe Stunde brauchte.
Sie nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, setzte sich an den Küchentisch und starrte auf den Laptop, ohne ihn aufzuklappen. Wollte sie wirklich ihre Post lesen?
Nein. Aber morgen hatte sie jede Menge Termine, und vielleicht gab es eine wichtige Nachricht. Als sie auf die Absender im Posteingang schaute, zuckte sie zusammen. Miko hatte ihr eine E-Mail geschickt. Sie zögerte einige Sekunden, bevor sie überflog.
Gabby, ich habe ein paar von deinen Sachen. Wir sind noch nicht miteinander fertig. MK
„Ich habe mein Handtuch an die Tür gehängt. Falls es dich stört …“ Rafe blieb vor dem Tisch stehen. „Was ist los? Du siehst aus, als würdest du jeden Moment in Ohnmacht fallen.“
Gut möglich, dachte sie.
Rafe eilte zu ihr. „Gabby?“
Wenn sie ihm von Miko erzählte, würde er sie für naiv halten. Und sie würde zugeben müssen, dass sie geglaubt hatte, Miko zu lieben. Inzwischen wusste sie, dass ihre Gefühle mit Liebe nichts zu tun gehabt hatten. Was sie für Rafe empfand, war ganz anders und erschreckte sie fast so sehr wie die E-Mail auf dem Bildschirm.
Rafe sah ihr über die Schulter. „Was bedeutet das?“
„Das geht dich wirklich nichts an.“
„Doch, zum Teufel. Es liest sich wie eine Drohung.“
„So ist Miko eben.“
„Ist?“, fragte Rafe grimmig.
„Seine Art“, erklärte Gabby geduldig. „Er ist ein sehr impulsiver Mensch. Er hat noch ein paar von meinen Sachen. Ich hatte es eilig. Aber ich brauche nichts davon.“
„Willst du ihm antworten?“
„Nein.“
„Hältst du das
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