Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
bekommen. Kannst Du mir nicht mal ein Stück Seife schicken? Die Tischdecke ist heute für Dich abgegangen, habe auch ein paar Zigaretten beigelegt. Laß sie Dir gut schmecken. Auch die Decke wird Dir wohl gefallen.
Und nun einmal zu Elli. Am Sonntag kam Elli nach Hause und erzählte mir, sie hätte von einer Frau eine Adresse bekommen von einem Heilpraktiker, dieser würde ihr helfen. Sie hatte wieder einen Anfall gehabt und hatte ein ganz blutunterlaufenes Auge. Sie sagte mir, was ich meine, sie wolle mal zu dem Mann gehen und mal sehen, was er zu ihrem Zustand sagte. Sie ist dann gleich am Sonntag Nachmittag hin. Als sie nach Hause kam, sagte sie mir, es sei keine Epilepsie, sondern Blutsache. Er wolle sie behandeln, sie solle Dienstag Nachmittag kommen. Als ich sie fragte, was es kostet, sagte sie 9 M jede Behandlung, sie wolle es auch selbst bezahlen, denn sie wolle nun endlich gesund werden. Ich bin dann am Dienstag mit ihr hingegangen, habe den Mann gefragt, was er zu Ellis Zustand meine. Er sagte mir, daß er ihr helfen könne. Sie müßte dreimal zur Behandlung kommen. Es ist ... Dann im Winter nochmals und im Frühjahr hoffe er sie gesund zu sehen.Er hat sie behandelt. Heute nun kam Elli nicht nach Haus. Ich rief bei Frau Oberin an und sie sagte mir, daß es Elli, seit sie zur Behandlung war, nicht so gut gehe. Ich will morgen mal zu dem Mann und dann zu Elli raus. Nun habe ich vielleicht eine Dummheit gemacht. Ich habe Vater nichts davon gesagt, wir wollten ihn damit überraschen. Was meinst Du dazu? Man kommt wirklich nicht aus den Aufregungen. Es wäre doch zu schön, wenn Elli wieder gesund würde, und man könnte noch ein paar Jahre in Ruhe leben. Ich würde es Elli von Herzen wünschen. Nun bin ich gespannt, was ich morgen erfahre.
Tante Anna Schramm erzählte mir, daß Du ihnen geschrieben hast. Sie haben sich wieder beruhigt und freuen sich über Heidi. Also vergiß bitte den 31. Oktober und den 6. November nicht. Von Frau Kühn soll ich Dir einen schönen Gruß sagen, sie denkt immer an Dich, wenn sie eine Tasse Bohne trinkt. Siehst Du, da werden die Menschen immer an Dich erinnert. Wirst Du mal einen Vorteil haben. Als ich heute Abend einholen war, hat Frau Kühn Heidi vorgesungen, aber nicht lange, denn Du weißt ja, Hunger tut weh, und darum stimmte sie mit Gebrülle zu dem Gesang bei.
Heute Abend ist Vater in die Oper ‘Fidelio’. Hoffentlich gefällt es ihm und er kommt auf seine Kosten.
Deine Briefe an Leni habe ich gleich weitergegeben, und wird sie dieselben morgen oder übermorgen erhalten. Ich will nun an Leni eine Karte schreiben, jeden Tag eine Karte, damit sie über Heidi Bescheid weiß. Hoffentlich erholt sie sich gut und machen sie sich recht schöne Tage. Soeben kam Vater aus dem Theater. Viele Grüße von ihm.
Nun mein lieber Junge, bleib mir recht gesund. Viele liebe Grüße und einen Kuß
Von Deiner alten Mutter.
d.28.11. 42
Mein lieber Junge!
Hab vielen Dank für Deine lieben Zeilen vom 22.11, worüber ich mich sehr gefreut habe. Ja unsere kleine Heidi macht wirklich viel Spaß und kann man jeden Tag was Neues an ihr entdecken. Ich glaube, daß sie mich sehr genau kennt und habe ich sie wirklich von Herzen lieb. Heute war ich mit ihr zwei Stunden spazieren, und haben wir viele Wege durchwandert. Es war schön, denn wir sind fast niemand begegnet und waren wir beide allein. Da haben wir uns zuerst erzählt, und als der kleine Kerl müde wurde, habe ich ihr vorgesungen, bis sie eingeschlafen war. So hat sie in der frischen Luft eine halbe Stunde geschlafen. Als wir heimkamen, bekam sie dann ein gutes Fläschchen. Ihr Fläschchen und ihren Eßteller kennt sie ganz genau. Da mußt Du mal die großen Augen sehen, wenn es zurecht gemacht wird, zum wegschnipsen. So war ihr Vati als kleiner Junge.
Da hast Du ja erst sehr spät Sonntag gehalten, hoffentlich kommen bald etwas ruhigere Zeiten für Dich. Butter und Suppenwürfel sind angekommen, Butter ist schon wieder alle, war sehr gut, weißt Du solange wir es schaffen, wird noch was gekauft. Wenn es geht, bring mir noch was Kaffee mit, vielleicht auch nochmals Suppenwürfel. Na, Du wirst ja schon an uns denken. Vater freut sich sehr auf die Batterien. Betreff des Anzugstoffes will Vater es sein lassen, der Anzug würde doch zu teuer. Was glaubst Du wohl, was mir vorige Woche passiert ist. Habe ich doch eine Fleischkarte mit 1100 Gramm Marken verloren. Ich bekam einen großen Schreck, denn man braucht jedes Gramm.
Weitere Kostenlose Bücher