Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
gerade in den Umständen in dieser Krankenatmosphäre leben muß. Es ist traurig, daß das alles zusammenkommen muß und ich überlege hin und her, ob ich Leni evtl. hereinnehme und komme zu keinem Entschluss. Auch Deine Mutter tut mir sehr leid, denn Dein Vater ist ein undankbarer Patient und macht es der Mutter recht schwer und ich bin froh, daß Fr. Kolbe jetzt da ist, als sollte es wohl so sein, denn Leni könnte allein unmöglich da sein. Man wollte ihr nur von vornherein alles Unangenehme fernhalten, aber der Mensch denkt, Gott lenkt und wollen wir hoffen, daß alles gut vorübergeht. Das Leiden Deines Vaters kann Jahre dauern, er kann aber auch vor der Zeit von den Qualen erlöst werden. Der einzelne Fall ist verschieden. Deine Mutter hofft ja auf Besserung und es ist vielleicht besser, wir erhalten sie in dem Glauben. Die Christliche Wissenschaft fehlt ihr sehr. Aber es ist im Leben nun mal so. Wir Alten müssen gehen, um dem kommenden Geschlecht Platz zu machen. Das ist unser aller Los und einer muß den Anfang machen. Wer es ist, wissen wir nicht und das ist nur gut so. Man muß wohl heute jeden Tag in unserem Alter damit rechnen. Am Mittwoch haben wir Schwarzenberg mit beerdigt. Er war Sanitätsfeldwebel und ist von der Wehrmacht recht hübsch beerdigt worden. Um die zwei Jüngsten tut es mir recht leid. Sie haben mit dem Vater alles verloren, man möchte sagen, die Heimat und es kann sein, daß der Meester Vormund wird. Es ist ein großes Opfer, aber um des Mädels willen, die an uns hängt, muß man es schon bringen. Die Mutter soll gesetzlich Vormund sein und das wollen Kinder und Verwandte nicht.
Nun lieber Hans zu etwas Erfreulicherem. Beinahe hätte ich doch ganz vergessen, Dir zu Deiner Beförderung zu gratulieren. Mach es weiter gut und ich bin überzeugt, in Jahresfrist müssen wir das zerlesene Familienbuch und Scheine wieder hervorsuchen und da will ich es lieber nicht zu tief verstauen. Langsam und stetig. Daß Du ein guter Vorgesetzter bist, werden Deine Dir unterstellten Kameraden alle wissen. Nun erzählt Leni so verlockend, was es bei Euch noch für Schätze gibt und hat Lenis Vater ihr 50 Mark mitgegeben. Wenn Du uns etwas schicken kannst und willst, so wäre etwas Fettiges von Herzen erwünscht. Schweinefett, Butter. Kaffee erst in zweiter Linie und dann laß bitte die Päckchen einschreiben, das geht wohl jetzt und kostet 20 Pfennige.So sagte mir wenigstens Maschkes Lotte. Der ihr Verlobter hatte von Frankreich zwei Pfund Kaffee für 30 Mark abgeschickt, welcher nicht angekommen ist. Na, Du wirst ja sehen. Wir würden uns freuen. Vor allen Dingen freuen wir uns, daß es Dir gut geht und Du gesund bist, und es läßt sich dort aushalten. Heute sind 7° Wärme und der Schnee, der in so übergroßen Mengen heruntergekommen ist, rutscht von den Dächern und die langen Eiszapfen an den Dachfirsten fangen an zu schmelzen. Bleibe gesund.
Herzlichen Gruß auch von Vater
Helenchen
Leipzig, d.9.3. 42
Lieber Hans!
Besten Dank für Deinen Brief und zu unserer Freude erhielten wir am Freitag ein Paket, Inhalt ein Pfund Butter, eine Büchse Fischpaste und ein Päckchen Tabak. Butter schmeckt prima, Paste heben wir auf, der Tabak ist ganz groß und Vater hat ihn gleich probiert. Dann brachte mir Leni einige Tage zuvor ein Stück Butter, ein Stück brachte Leni ihrem Vater zum Geburtstage. Wir hätten dann also zusammen zwei Pfund Butter, Paste und Tabak. Nun muß ich von Leni erst den Preis erfahren, damit ich weiß, was wir noch erhoffen können. Du machst Dir wohl am besten zur leichteren Information für jeden ein kleines Konto. Wir machen es hier auch. Für Deine Mühe sollst Du selbstverständlich auch etwas haben. Schicke bitte wieder Butter und andere Lebensmittel, die wir hier nicht haben. Ich schicke Dir ein
100 Gramm Päckchen mit Bindfaden. Tabak sollst Du nicht schicken, der kommt gleich dem Kaffee zu allerletzt an die Reihe. Vorwiegend Fettigkeiten. Vorige Woche war hier große Kälte, dann kam Tauwetter und am Abend Frost und hatten wir, Leni und ich, am Sonnabendabend große Mühe, ganzbeinig nach Hause zu kommen. Ich wollte sie mit zu mir nehmen, aber sie wollte nicht. Sie hat sich vom Schleußiger Park vorwärts geschoben und ich bin von der Adolf-Hitler-Straße zwischen den Schienen vorwärts getrippelt. Es war sowieso ein Tag mit Hindernissen, erst wartete man eine dreiviertel Stunde auf die 5, dann holte man 10 Minuten nach Ankunft bei Frl. Fuhrmeister Frau Kolbe
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