Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
gesessen und sind dann ins Bett. Geschlafen haben wir nicht viel. Am Sonntagnachmittag hellte es sich hier auf, und bin ich mit Heidi ein Stück spazieren gefahren, und am Abend haben wir einen zünftigen Rommé gespielt. ½ 11 Uhr ins Bett und noch weniger geschlafen. Heidi bekommt wieder Zähnchen und außerdem hat sie es bissel auf der Brust sitzen und Husterchen. Aller Viertelstunden war sie die Nacht da, und wenn es heute wieder so wird, nehme ich den kleinen Kerl in mein Bett. Heute früh bin ich mit ihr zu Frau Dr. Weise. In den letzten acht Wochen hat Heidi 40 Gramm zugenommen. Das kommt daher, weil sie jetzt dauernd im Bettchen rumspaziert und opert. Ihr Gewicht ist deswegen immer noch hoch genug. Wiegt 19 Pfund und 30 Gramm. Ihr Rücken ist bis auf eine Kleinigkeit in Ordnung, und das wird auch noch, ebenso das Köpfchen. Der Katarrh ist auch nicht weiter ernster Natur, nur die Zähnchen machen ihr zu schaffen. Stehen aber kurz vorm Durchbruch und wird es wohl nicht mehr allzu lange dauern. Heute war Elli da und war sie mal ganz manierlich. Sag mal, kannst Du mir nicht mal einen guten Rat geben, was wir Mutter zum Geburtstag schenken könnten? Die Eltern wollen zur Baumblüte acht Tage nach Cossebaude, heute kam von den ‘Verwandten’ die Zusage. Und mein Radio habe ich immer noch nicht. Schweinerei, was? Kleiner Mann, bist Du böse, wenn ich heute schon schließe? Bin so müde. Am Donnerstag schreibe ich Dir wieder, denn am Mittwoch wollen Lisa, Mutti und Lotte kommen, und da wird es wohl nichts werden. Dir nun für heute viele liebe Grüße und Süße
Von Deiner kleinen Lenifrau und Heidikind.
Gruß von allen.
Wittingau, den 5.4.1943
Meine liebe kleine Lenimaus!
Wenn Du jetzt Deinen ‘Mustervati’ sehen würdest, kämst Du aus dem Staunen nicht heraus, so strahle ich und mit mir alle Kameraden, denn der Nachmittagsunterricht und die Arbeitsstunden am Abend fallen aus. Doch davon später. Zuerst wieder recht vielen Dank für den lieben Sonntagsbrief, der pünktlich hier eintraf. Nachdem hier jetzt wieder das herrlichste Frühlingswetter ist, wird es zu Hause wohl auch so sein, so dass meine kleine Frau doch schon ihr Dirndlkleid ausführen kann. Aber nun mal Spass beiseite, die Fahrt in die Alpen wird unsere erste Urlaubsreise, denn auch ich habe wirklich Lust, das alles einmal kennenzulernen. Dass die Retourkutsche betreffs ‘ungeschwächte Liebe’ so prompt anrollte, habe ich erwartungsmässig zur Kenntnis genommen, aber Du weisst ja, wie es gemeint war. Sag mal, hast Du denn mal mit Lisa und Martin wegen der Bauerei gesprochen? Da müsstet Ihr doch auch auf die Geldfrage gekommen sein und wie hatten sich Kunads das vorgestellt? Schreib mir doch mal darüber, allerdings hast Du recht, für die Geldfrage finden wir von uns aus momentan doch keine Lösung.
Wegen dem Essen hier brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen, ich hab mich jetzt umgestellt und komme aus, die Zeit ist ja auch nicht mehr weit, dass ich wieder die bessere Kost bin Holland geniesse. Für Dich halte ich den Daumen, dass bis Ostern ausser Butter auch wieder was Kaffee eintrudelt, denn mit irgendeiner kleinen Osteraufmerksamkeit meinerseits kannst Du leider nicht überrascht werden, denn so arm wie jetzt an Geld und an Gelegenheit, was zu kaufen, bin ich noch nie gewesen und bin ich deswegen sehr niedergeschlagen. Keine Süssigkeit für Dich und Heidi, es ist wirklich zum Kotzen. Ob es mit Osterurlaub klappt, ist sehr fraglich, da ich ja schon eine Woche später die Rückreise antrete. Mit dem Radio soll Vater der Frau Voigt mal bisschen auf den Nähten knien, denn das wird ja mit der Zeit für Dich wirklich unerschwinglich. Schade, dass es kein Telefunkenapparat ist, da hätte ich eventl. die Röhren besorgen können.
Du, weißt Du, wegen Gretel in Saaz kann man sich die Sache so denken, dass der Arbeitsdiensthäuptling Schluss gemacht hat, weil das mit dem Kind nicht so geklappt hat. Anders könnte ich mir einen Grund nicht vorstellen, denn Gretel ist doch in allem ein patentes Mädel und wollen wir nur wünschen, dass sie doch einmal den passenden Mann findet.
Hoffentlich gibt es sich mit den Alarmen bei Euch, denn Ihr kommt ja ziemlich oft um Eure Nachtruhe. Und Dich habe ich ja besonders bedauert, kleine Frau, zwei Wäschen so kurz hintereinander, so viel Arbeit und so wenig Zerstreuung. Da habe ich wirklich wieder mal ein schlechtes Gewissen, wenn Du dann liest, was ich hier jetzt für eine Zerstreuung habe.
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