Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Den Film ‘Der grosse Schatten’ wollte ich gerne in Berlin im November sehen, aber das klappte damals nicht. Tante Anna soll nun mal direkt an Heinz’ Kompanie schreiben, es scheint doch so, als ob er zu einer Strafkompanie versetzt ist. Das wäre sehr schlimm, denn bessern tut man sie doch nicht und eingesetzt werden sie auch als Himmelfahrtskommando. Aber sage davon bitte nichts zu Tante Anna, es ist schon schwer für sie nicht zu wissen, wo Heinz steckt. Dass ich mich auf unser Wiedersehen freue, kannst Du Dir wohl denken und hab ich gestern das Urlaubsgesuch anschliessend an den Lehrgang für zwei Tage nach Holland hin bei der Kompanie abgegeben, auf Ostern wollen wir, wie schon anfangs erwähnt, nicht so stark hoffen. Wenn doch nun mal der Krieg zu Ende ginge, dass man doch für immer zu Hause bleiben könnte. Aber man darf den Mut nicht verlieren, sonst ist gleich alles Essig. Gestern habe ich die Abzüge und drei Filme in einem kleinen Päckchen weggeschickt und heute folgen paar Aufnahmen von hier. Die doppelten gib bitte Mutter. Von ihr hast Du ja auch gehört, wie ich den Sonnabend verbracht habe. Gestern war nun das grosse Eintopfessen. So viel deutsch Sprechende habe ich hier in Wittingau noch nie gesehen wie bei der Fresserei. Früh hab ich bis Mittag gearbeitet, nach dem Essen zwei Stunden geschlafen. Als ich dann wieder eine Stunde gebüffelt hatte, hatte ich den ganzen elektrischen Mist satt und hab ich mit zwei Kameraden einen Spaziergang von drei Stunden Dauer gemacht, das war sehr schön und kamen wir erst gegen 8 Uhr zurück, dann bis 10 Uhr geschrieben und dann in die Falle. Der Montag früh fing ganz beschissen an. Die ersten zwei Stunden mündliche Zwischenprüfung und bin ich mehr als unangenehm aufgefallen. Die nächsten zwei Stunden wurde eine Arbeit in Fernsprech geschrieben, und da bin ich ganz gut durchgekommen, und die letzte Stunde noch eine Arbeit in Werkstatt, wo ich wahrscheinlich gerade so mit Hangen und Bangen durchgekommen bin. Und morgen müsste ich eigentlich einen 20 Minuten Vortrag mit Beurteilung halten, aber das hat sich um zwei Tage verschoben und das hängt oder hing mit der guten Laune zusammen, von der ich Dir eingangs erwähnte. Um ½ 1 Uhr waren wir in der Essbaracke zum Essen fassen, als plötzlich der Unterarzt erschien, um festzustellen, dass das Essen (Linsen, am Sonntag schon gekocht) sauer geworden und ungeniessbar war. Neues Essen war erst um ½ 5 Uhr fertig. Bis dahin wurde Arbeitsdienst auf den Stuben angeordnet und nach dem Essen war Dienstschluss. Da habe ich mir für Mittwoch Karten für den Film ‘Eine Frau wie du’ besorgt und heute abend war Kraft durch Freude-Vorstellung mit einem Bombenprogramm. Eine Gruppe Chinesen, acht Ballettmädel, dann eine Hundenummer und noch einige Einlagen, jedenfalls die Leistungen waren hervorragend, wir haben getobt vor Begeisterung. Morgen habe ich auch um 10 Uhr Schluss im Unterricht, da ich Mittag auf Wache ziehe und kann da in Ruhe arbeiten. Ich habe nun versucht, solchen Kindergriess zu bekommen, aber der Mann verkauft auf einmal keinen mehr, also brauchst Du mir auch nicht mehr das Geld zu schicken. So, das wäre nun wohl bis zum letzten Prüfungstag am 16.4. Der letzte lange Brief, und werde ich erst dann richtig und ruhig schlafen, ohne dass mich Schaltungen und ähnliches noch im Schlaf verfolgen.
Nun sende ich Dir heute noch recht viele Grüsse und Küsse, ebenfalls für Heidi und bin
Dein Dichliebender Hans.
Viele Grüsse an die Eltern und Helenchen. Hat denn der Meester schon mal geschrieben?
Leipzig, den 8.4.1943
Mein lieber alter Strolch!
Dein lieber Brief kam gestern Nachmittag an und danke ich Dir wieder herzlich dafür. Die Bilder kamen früh an, leider nicht so, wie ich sie haben wollte. Vom erstenFilm wollte ich doch nur die Bilder haben, die ich angekreuzt hatte und nicht alle. Na, nun ist es nicht mehr zu ändern. Jetzt ist es Mittag ½ 2 Uhr, mal sehen, wie Heidi mich schreiben läßt. Nachdem der Anfang der vergangenen Nacht ganz schlimm war, hat Heidi nun das vierte Mal wieder ruhig geschlafen, nur von 3-4 hat sie mich munter gehalten. Wurde aber auch höchste Zeit, daß der kleine Kerl mal zu einem richtigen Schlaf kam, und ich war so kaputt, daß ich mir gestern früh erst mal eine Tasse Bohne zum Munterhalten gekocht habe. Mittag kamen Lisa und Mutti und habe ich Suppe und Kartoffelsalat gemacht, und Lisa hat die Eier spendiert. Am Nachmittag kamen dann noch Lotte und
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