Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
bekommen. Ich denke, daß er zu einer Strafkompanie gekommen ist und dort nicht schreiben darf. Aber Tante Anna müßten sie doch meiner Ansicht nach Mitteilung geben. Heute um 6 Uhr war ich wieder bei meinem kleinen Kerl, hatte ja auch große Sehnsucht nach ihr. Hat sich wieder stürmisch gefreut, als sie mich sah. Zu Frau Dr. Weise bin ich heute nun ja noch nicht gekommen, werde nun erst am Montag gehen können. Die Eltern sind heute Abend wieder ins Kino, was, weiß ich nicht, und ich nutze die Zeit mal zum Schreiben. Nach Dir will ich Gretel noch ein paar Zeilen schreiben und auch an Mennige. Freust Du Dich auf Ostern, kleiner Mann? Weißt Du, was ich möchte? So wie in früheren Jahren mal wieder Ostereier suchen wie Marzipaneier und Knickebeineier und auch paar gekochte Hühnereier mit, wäre schön, ja? Für heute will ich nun mal wieder schließen, alter Stromer und ‘Mustervati’!
Bleib gesund und behalt uns lieb, und nimm viele liebe Grüße und einen Kuß von
Deiner Leni und Heidi.
Wittingau, den 2.4. 43
Meine liebe kleine Lenifrau!
Das waren gestern und heute für mich zwei postreiche Tage und danke ich Dir recht vielmals für Karte, Zigaretten und Brief. Ebenfalls traf heute Mutters Brief und Zigaretten ein und schreibe ich ihr am Sonnabend. Hoffentlich sind Deine Kopfschmerzen recht bald weggegangen und fühlst Du Dich wieder recht wohl. Die Müdigkeit wird wohl auf das Frühjahr zurückzuführen sein, denn ich bin auch immer recht müde. Es tut mir recht leid, dass ich durch meinen Hilferuf wegen der Zigaretten Dich aller Zigaretten beraubt habe; soll ich Dir eine Schachtel wieder zurückschicken? Aber hier ohne was Rauchbares ist grosser Mist und hatte ich ja vor allen Dingen nie gedacht, dass ich Dich so schröpfen würde.
Weisst Du, wenn ich jetzt daran denke, wie oft ich Dir in meinen Briefen vorgejammert habe, komme ich mir jetzt richtig wie ein Heulfritze vor, aber erleichtert hat es doch. Dabei erleichtere ich mich hier schon immer, denn es gibt ja hier kaum einen, der nicht täglich paarmal über den Dienst flucht. Aber Du hast recht, nur noch 24 Mal Dienst und ‘es geht alles vorüber, es geht alles vorbei, im Monat Dezember gibt’s wieder ein Ei’. Vielleicht klappt es Ostern mit einem Festtagsurlaub, und wenn das nicht geht, dann bin ich eine Woche später doch zu Hause. Zeitiger hört der Lehrgang nicht auf, das ist schon raus. Siehst Du, das Schöne ist es ja eben, dass man weiss, zu Hause warten sie schon auf Dich und umgedreht denkt man ja selber auch nur ans Zuhause. Nun geht es auf die Prüfungen zu und im Unterricht geht es ziemlich rund; vom 13. - 16.4. ist Prüfung, da kannst Du dann mal die Daumen drücken, obwohl ich nicht gerade geknickt wäre, wenn ich durchfallen würde. Mit dem Schreiben ist es so eine Sache, Du hast ja auch viel zu tun, aber auf der anderen Seite ist es schön, wenn man solche liebe und ausführliche Briefe bekommt. Es freut mich, dass Du nun doch Deine Sachen nicht mehr aufhebst. Natürlich hat es mir immer sehr gut geschmeckt, aber ich habe doch in Holland mehr als ihr zu Hause. Also lass Dir Dein Essen nur immer selbst recht gut schmecken. Bedauern tue ich Dich, dass Du so wenig freie Zeit für Dich selbst hast, es wird Zeit, dass ich auf Urlaub komme und Du ja dadurch zwangsläufig mehr Freizeit hast. Da kommst Du wenigstens mal raus. Weißt Du, das mit Gretel verstehe ich auch nicht, irgendetwas muss doch vorgefallen sein, denn ohne weiteres gehen doch zwei Menschen nicht auseinander. Ich hätte ihr wirklich alles Gute gegönnt, nach dem, was sie schon durchgemacht hat. Das Beste wäre schon für sie, wenn sie von Saaz weggehen würde und schreibe ihr doch noch mal, eventl. kommt sie doch zu Dir. Dass ich ihr von hier vorige Woche geschrieben habe, hatte ich Dir ja mitgeteilt. Sei nur froh, wenn Du die Sache mit dem Gericht hinter Dir hast, denn meistens machen solche Sachen nur Ärger, aber vielleicht hilft es Gretel etwas. Das Geld brauche ich nicht für mich, sondern für die Fotos, und dann will ich versuchen, für Heidi Kindergriess zu bekommen. Hätte es ja gern selbst bezahlt, aber Du weisst ja, wie sie uns hier schröpfen, so dass der Wehrsold gerade immer aufgeht. Nun kann ich mir vorstellen, dass Du bei Deiner jetzigen miesen finanziellen Lage nicht gerade rosiger Stimmung bist, aber kleine Maus, verlier nicht den Mut, einmal wird es schon besser werden. Und nun spare nicht Deine Zigaretten für mich auf, sondern geniesse
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