Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Erleichterung könne geschaffen werden. In zwei bis drei Jahren muß sie evtl. aufgeschnitten werden, jetzt wäre sie noch zu jung dazu. Ist doch sehr traurig was? Man darf ihr das natürlich nicht schreiben, muß sie eher noch aufmuntern. Anschließend an Deinen Brief will ich ihr auch noch paar Zeilen schreiben.
Heute habe ich Martin wegen der Zigaretten von Polen gefragt, und ist ihm davon nichts bekannt, er will sich aber mal erkundigen. Er hat mir für Dich ein Päckchen Tabak, und 15 Zigaretten von Lisa hab ich auch bekommen, die im nächsten Paket mitkommen. Wegen der Rübe schaben und Horn knaubeln (was sind das wieder für Fachausdrücke) wußte ich schon Bescheid, ehe ich weiter las, was Du wolltest. Beruhige Dich nur, ich sehe ein, daß es blöde von mir war. Die Wäsche geht gleich Anfang nächster Woche ab, ich will nur erst noch bei Helenchen was backen, damit Du wieder mal was zum Knabbern hast. Wegen dem Weihnachtsgeschenk für Dich bin ich mir noch nicht so im Klaren, noch mehr Liebe kann ich Dir ja gar nicht schenken, Du könntest das auch gar nicht vertragen, es wäre wirklich zu viel des Guten. Äpfel sind noch nicht angekommen, vielleicht nun am Montag, denn Sonntag tragen sie ja nicht aus. Wenn es bei Euch Zwiebeln gibt, kannst Du mal ein Paket davon schicken, aber richtige, keine Blumenzwiebeln. ... Du bist im Irrtum, wenn Du glaubst, daß ich in den Pilzen mit Vater gezankt habe, ich habe mich beherrscht, ja wirklich! Mit Schweden kannst Du Dich also nicht mehr erinnern. Nun, es gab da jemand, der sagte immer, wenn er mal ein Geschäft machen wollte, ich will mal sehen, ob hier Pilze wachsen, und damit verschwand er. Die Frau hat das natürlich gleich durchschaut.
So, damit wäre ich am Schluß Deines Briefes und nun mal zu uns. Ja, was gibt es da schon groß zu schreiben. Mittwoch Nachmittag war ich mal mit Heidi bei Mutti und Papa drin, und kennt Heidi ihre Omi und Opa recht gut. Auch ‘Lisa’ (sie spricht es schön) hat sie in ihr Herz geschlossen. Donnerstagnachmittag waren Lotte, Lisa und Mutti da. Sind aber alle wieder zeitig weg. Lotte frug mich, ob Du ihr nicht wieder mal Toilettenseife besorgen könntest. Dann frug sie noch, ob Du ihr bis Weihnachten eine Puppe für ihre Nichte besorgen könntest?
... Am Donnerstagabend habe ich dann noch unsere Stube saubergemacht, denn Mutter war gestern Freitag bei Frau Dr. Weise, und hatte ich da die ganze Arbeit allein. Es war ein ganz schönes Gewühle, und Heidi wollte sich immer ausgerechnet da hinsetzen, wo ich wischen wollte. Unter Mittag, als Heidi schlief, habe ich zwei Zentner Kartoffeln von Blödels geholt. Nachmittags hat Tante Gretchen Heidi geholt, denn ich bin in die Stadt und hab Heidis Punkte umgesetzt, es geht nämlich ein Gerücht um, daß die Kinderkarten auch ungültig werden und es nur noch Sachen auf Bezugsschein gibt. Man kann sich wirklich die Beine weglaufen, ehe man etwas halbwegs bekommt. Ich habe nun für Heidi ein hellblaues Strickkleidchen bunt bestickt gekauft, übrigens geht sie darin allerliebst. Dann habe ich noch zwei Paar Höschen und ein Paar Strümpfe erstanden und damit sind die Punkte bis zum 1. Januar alle. Auf Mutters Drängeln bin ich ½ 5 Uhr ins Capitol ‘Romanze in Moll’. Mir hat es sehr gut gefallen, auch den Eltern, die am Mittwoch Abend waren. Am Abend gestern habe ich dann noch bis nach 10 Uhr Sachen für uns gewaschen, und hatte dann aber wirklich genug. Heute Nachmittag war ich mit Heidi mal bei Lisa, denn Lisa hat eine Strickfrau draußen, die für Heidi einen dunkelblauen Pullover strickt und ein Paar Strümpfe, haben heute die Wolle rausgetragen und Maß genommen. Auf der Hinfahrt hatten wir Pech mit der Bahn, am Augustusplatz mußten wir alle aussteigen, weil der Wagen kaputt war. Dadurch waren wir erst kurz vor 8 Uhr zu Hause, und ist es nun etwas spät geworden. Morgen will Mutter mal zu Elli, Tante Anna und Lisbeth fahren mit, und dann will Mutter Dir gleich schreiben. Sie wartet immer noch auf Deinen Brief, den Du in meinem letzten Brief nach Mühlhausen angekündigt hattest.
Nun möchte ich Dich zum Schluß noch mal fragen, was eigentlich die Bilder kosten, die Du uns geschickt hast. Damit kleiner Mann wäre ich mal wieder am Schluß meines Briefes angelangt und hoffe ich, daß Du mit mir zufrieden bist.
Nimm Du nun 1000 liebe Grüße und einen ganz dicken Süßen
Von Deiner Lenifrau und Heidikind.
Leipzig, den 6.10.1943
Mein lieber alter Strolch!
Deinen lieben
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