Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Haarwuchs ist sichtbar fortgeschritten, blond oder dunkel? Sowie Du Geld schickst, spurte ich los, um die Fuss-Säcke zu besorgen. Am Freitag in der Mittagspause hat ein Tommy einen Reihenwurf riskiert und lagen zwei Blindgänger 200 Meter von unserer Lehrunterkunft in Arnheim. Dann hatte es eine Gastwirtschaft auf dem Weg nach Appeldoorn erwischt, die vollständig ausbrannte und eine SS-Kaserne in Arnheim. Im Ganzen ist nur ein holländischer Zivilangestellter getötet worden, aber in Arnheim war es eine Sensation., und dabei war bestimmt der Abwurf gar nicht vorgesehen. Sonst gibt es nichts Neues, d.h. am Mittwoch, nein Donnerstag, war ich in ‘La Habana’, hat mir wieder sehr gut gefallen; diese Woche will ich sehen, ob ich mir den ‘Postmeister’ nochmals ansehe. Das Küsschen von Heidi hat mir gut geschmeckt, gib ihn ihr wieder.
Dir, kleine Frau, zum Schluss recht viele liebe Grüsse und Küsse und vergiss nicht
Deinen Dichliebenden Hans.
Leipzig, den 24.11. 1943
Mein lieber alter Strolch!
Dein Sonntagsbrief kam am Montag an, und Dein lieber Brief vom 21. gestern Nachmittag. Für beide danke ich Dir recht herzlich. Besonders der letzte Brief war sehr schön und lieb, nicht nur wegen seiner Länge, und danke ich Dir besonders dafür. Ich will nur schon jetzt mit Schreiben beginnen, denn man weiß am Abend nie, ob man dazu kommt. Am Sonntagnachmittag bin ich mit Heidi mal in die Nürnberger gefahren, denn groß spazieren kann man ja jetzt nicht gehen. Nur am Abend muß man sehr vorsichtig beim Heimgehen sein, denn momentan ist es finster wie in einem Bärenloch. Die Eltern waren ins Kino gegangen, und ich bin mal zeitig zu Bett. Montagnachmittag habe ich für Heidi ein dickes Nachthemd angefangen zu nähen. Eigentlich wollte ich es fertig haben, aber Du hättest mal in unsere Stube schauen sollen. Die Maschine hatte ich mir rüber geholt, und Heidis sämtliches Spielzeug, damit sie sich beschäftigen konnte, wenn sie auf war. Es dauerte nicht lange, so kam Karin rauf, und wieder nicht lange, so kam Peter von gegenüber, so alt wie Dieter. Seine Mutti war ins Kino gegangen. Wie es ausschaute, kannst Du Dir bald nicht vorstellen, man konnte kaum treten. Ich fände es sehr schön, wenn ich schon so einen großen Sohn hätte, denn sie sind schon ganz vernünftig. Am Abend wollte ich den Frack fertig nähen, aber ½ 8 Uhr kam schon Alarm, und als es dann schoß, bin ich mit unserem Kerlchen zu Frau Kürbis und habe sie angezogen, und dann sind wir in den Keller. Wir sind wieder gut weggekommen, aber Berlin müssen sie ja übel mitgespielt haben. Gestern Abend wollte ich Dir dann gleich auf Deinen Brief antworten, aber noch ehe ich zum Anfang kam, ging ¾ 8 Uhr wieder die Sirene. Heidi war noch gar nicht eingeschlafen, und fing beim Heulen an zu weinen. Ich habe sie gleich aus ihrem Bettchen genommen und angezogen, und dann sind wir wieder zu Frau Kürbis. Es kann einem in der Seele weh tun, wie die kleinen unschuldigen Kinder darunter leiden müssen, und um ihren schönen notwendigen Schlaf kommen. Vorgestern kam die Entwarnung ½ 11 Uhr, und gestern ¾ 10 Uhr. Wo mögen sie wieder gewesen sein? Ob sie vollendet haben, was sie in Berlin angefangen haben? Es ist eine schreckliche Zeit.
Heute Morgen war ich nun Dauerwellen machen und nun sitze ich mit frischem Haupt vor Deinem Brief, den ich nun mal der Reihe nach durchgehen will.
Ich bin ordentlich froh, daß Du nun alle Briefe bekommen hast und auch das Geld. Hoffentlich sind die 1000 M inzwischen auch eingetroffen. Wenn Du uns nochmals ein oder zwei Brote schicken könntest, wäre es schon schön, aber nur wenn Du sie Dir nicht abdarben mußt, und es ermöglichen kannst. Unannehmlichkeiten solltest Du deswegen nicht haben. Das letzte Brot habe ich Mutter gegeben, würde nun aber auch eines für mich behalten und mir für die gesparten Marken Mehl kaufen. Mit den Kartoffeln wird es ganz mies, diese Woche bekommen wir nur drei Pfund Aber wir werden schon hinkommen. Es ist nur für die Familien schlecht, die einen Mann und große Kinder zu Hause haben. Deine Sorgen wegen Elli kann ich durchaus verstehen und ist es durchaus in Ordnung, wenn Du mir darüber schreibst, oder kannst Du nicht mit allen Sorgen und Nöten zu mir kommen. Es ist doch für mich ein schönes Gefühl, wenn ich weiß, daß Du mich brauchst, auch in ernsten und schweren Tagen, und mit allem den Weg zu mir findest. Wollen wir fest hoffen, daß Elli so oder so Ruhe findet von ihren
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