Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
was von mir bekommen. Weißt Du, das Briefe lesen habe ich wieder aufgegeben, seit ich Deinen ersten Brief von Dir wieder in Händen hatte. Da wußte ich doch, wo ich Dich in Gedanken suchen konnte und brauchte meine Gedanken nicht in die Vergangenheit spazieren zu führen. Aber wenn Du wieder daheim bist, lesen wir sie mal gemeinsam, ja? Hast Du nun die Adresse von Heinz, ich hatte sie in einem meiner letzten Briefe geschrieben. Aber hier noch mal: Schlicht, Holthusen über Elze in Hannover (Schule) nicht Post Elze. Erika ist vorläufig wieder hier und (Ulli!!) auch noch. Sobald sie mal Aussicht haben, die Sachen hin zu bekommen wollen sie hinfahren. Krolls haben mit Christoff im Nebenhaus die Wohnungen getauscht. Sie haben auch schon für Heidi ein sehr hübsches Kleidchen, Schürzchen und Mützchen genäht. Von Gretel habe ich vorgestern den zweiten Brief bekommen. Ich hatte ihr seinerzeit einen geschrieben, als Vater in Elster war. Ihr geht es natürlich nicht gut. Ich hatte gedacht, daß sie herkommt, aber jetzt sind die Transporte ins Reich gesperrt. Eine Schwägerin von Toni war im K.Z. und ist jetzt bei dem österreichischen Konsulat, und hat Toni nun lagerfrei bekommen und soll mit nach Wien. Nun wollen sie, daß es mit Gretel auch noch klappt. In Wien wollen sie nicht bleiben, sondern nach Passau weiter. Es ist furchtbar, was die Menschen alles aushalten müssen, und die Tschechen sollen ziemlich schlecht sein. Unsere tägliche (meine) Verpflegung ist 250 Gramm Brot, 7 ½ Gramm Fett, 15 Gramm Fleisch, 20 Gramm Nährmittel, 30 Gramm Marmelade, 15 Gramm Zucker. Wenn wir alles tatsächlich bekämen, wäre es ausreichend. Augenblicklich mangelt es an Transportmitteln. Den Frühjahr und Sommer war es aber katastrophal, und haben wir wochenlang weder Fleisch noch Butter zu sehen bekommen. Da fühlt man sich jetzt reich und glücklich, wenn man mal ein ganzes Stück Butter hat. Weißt Du, was wir Weihnachten speisen? Die Büchse Schweinefleisch, die Du seinerzeit geschickt hast. Auch die Büchse Leberwurst habe ich noch. Also komm und häng Dich rein. Das Geld habe ich Dir doch nur geschickt, weil Du kein Geld hattest, Du mußt nun noch fünf Mark von Mutter und nochmal fünf Mark von mir haben. Was ich an Unterstützung bekomme, habe ich Dir schon geschrieben. Sage und schreibe 49 Mark für mich und Heidi im ganzen Monat zusammen. Miete wird nicht mehr gezahlt und sagen sie Dir dort auf der Unterstützungsstelle, daß wir keine Miete zahlen sollen. Sämtliche Unterstützungsempfänger zahlen auch keine Miete, und habe ich Oktober, November auch keine gezahlt, aber ab 1. Dezember zahle ich meine Miete wieder. Wenn mein Geld alle ist, muß ich dann sehen, wie ich was verdiene. Ich denke immer, daß Du was vom Buch bei Dir (Dein Postsparbuch, was Heinz hat) abheben kannst und mal mitbringen und schicken kannst. Das ist ja prima, daß Ihr von den Engländern Sachen bekommen habt. Fühlst Ihr Euch da nicht wieder ein bissel menschlicher? Was mußtet Ihr dafür zahlen, und habt Ihr schon mal Stäbchen bekommen? Und wie haben sie geschmeckt? Ich kenne das nur noch vom Hören und Sagen. Höchstens mal eine selbstgedrehte von ‘Papas Ernte’ und Vater hat mir auch schon mal eine vermacht. Ach Du, im Mai hast Du mir doch auch eine zukommen lassen. Was, weißt es nicht mehr? Da bekam ich ein Päckchen von Dir, Inhalt dieser Block, paar Couverts, und ein Stäbchen. Also vielen Dank, kleiner Mann. Revanchieren kann ich mich leider nicht. Das war das einzige Päckchen, was noch von Dir ankam.
Am Sonntag, dem 25., war ich mit Heidi bei Erika zum Essen eingeladen. Weißt Du, aalen mit Radiomusik und so ist bei mir so eine Sache. Wenn ich abends um 8 Uhr Radio hören will, so muß ich den Apparat schon um 5 Uhr einstellen, dann gibt’s um 8 Uhr ‘vielleicht’ den ersten Ton. Dabei ist er schon zur Reparatur gewesen. Doppelkopf haben wir nicht mehr gespielt, da fehlt immer der vierte Mann, und ehrlich gesagt, man hat auch gar nicht mehr das Interesse, es ist einem immer alles ziemlich gleichgültig. Die ‘Frau meiner Träume’ hatten wir nicht zusammen gesehen, wer weiß, mit wem Du da warst. Ich habe ihn schon zweimal gesehen, und würde ihn mir auch ein drittes Mal anschauen. Die Kinos, die ganz sind, spielen alle wieder, aber nur alte oder russische Filme. Nur im Kino der Jugend (UT) ‘Herz muß schweigen’ mit Paula Wessely ist ein neuer Film. Ich schwing mich immer mal zu einem Besuch in der Elite auf. So, das war
Weitere Kostenlose Bücher