Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Weihnachtsmärchen kommst oder ist sie da noch zu klein zu? Das hätte ich gern miterlebt, aber solltet Ihr gehen, dann wird nächstes Jahr das Entzücken auch wieder das Gleiche sein. Du wirst ja nun auch einen Adventskranz in der Stube haben und für Heidi den Adventskalender angebracht haben. Kleine Frau, sei nicht traurig, wenn wir diese Stunden noch nicht zusammen verleben können, es kommt auch wieder die Zeit, wo wir alle zusammen sind, einmal muss auch uns die Sonne wieder scheinen und dann holen wir nach, all das, was wir in diesen Kriegs- und dem einen Nachkriegsjahr versäumt haben. Dass wir hier auf unserer Bude auch einen Adventskranz haben, hatte ich Dir wohl bereits geschrieben und heute sind alle Stubenkameraden zu einem Adventskonzert gegangen aber ich bin da geblieben, um in Ruhe meinen Brief schreiben zu können. Wie ist denn nun die Stube in Ordnung, war der Mann da? Da hast Du nun auch Deine Sorgen und hoffentlich hast Du nicht gar zu viel Ärger und kommst bald ins Geschick. Von Helenchen hab ich einen sehr lieben Brief bekommen, den ich auch heute noch beantworten will. Ja, kleine Frau, über den Krieg, in dem die Jahre fast für alle doppelt zählen, sind unsere Eltern älter geworden und hätte man ihnen doch einen geruhsamen Lebensabend gegönnt. Hoffentlich bleiben sie uns alle recht lange noch erhalten. Was Du mir über Lisas Ehe schreibst und mir Heinz erzählte, ist wirklich wenig erfreulich. Es steht mir nicht zu, über Lisa oder Martin zu urteilen, denn Ehesachen müssen unter den Betreffenden selbst ausgetragen werden, aber es hätte Martin nichts geschadet, wenn er auch paar Jährchen den Krieg mitgemacht hätte, dann hätte er seine Frau vielleicht schätzen und achten gelernt. Lisa tut mir mit ihren Sorgen leid, aber mit meinem Kommen kann sie auch erst im Frühjahr rechnen. Du kannst ihr ja sagen, wenn sie sich bis dahin noch geschäftlich halten kann und ich für Dich und Heidi mir eine Existenz in ihrem Geschäft aufbauen kann, ich dann alles tun würde, um das Geschäft wieder hoch zu bringen und dass ich arbeiten kann, das weisst Du ja, allerdings muss ich an Euch dabei denken, denn schliesslich muss ich ja mit meinen 40 Jahren auch so langsam an das Alter denken. Ob der Vorschlag Martins, das Geschäft zu teilen, diskutabel ist, kann ich ja nicht beurteilen, aber Lisa würde ich raten, reinen Tisch zu machen und sich unnachgiebig ihre Rechte zu sichern. Vielleicht kann sie den jetzigen Zustand bis zum Frühjahr, wo ich ja bestimmt nach Hause komme, halten oder soll sie mir doch mal selbst ausführlich schreiben, wie sie sich meine Mitarbeit gedacht hat und wie die Lage in dem Geschäft ist.
Nun kleine Frau, wollen wir einmal die Frage meines Heimkommens besprechen. Ich habe Dir nie ausführlich darüber geschrieben, denn ich wollte erst mit Heinz verschiedenes besprechen, da er mir auf Fragen antworten konnte, die ich brieflich nicht erörtern konnte. Dazu muss ich nochmals auf die Aufstellung unserer Nachrichtensection zurückkommen. Als ich mich seinerzeit im Juli dazu meldete, geschah es, um aus dem Camp herauszukommen, denn sonst wäre ich heute noch in Belgien und wäre wahrscheinlich körperlich und seelisch auf den Hund gekommen. Der Tommy gibt uns auf der einen Seite auch sieben Tage Urlaub, um uns auf der anderen Seite zu sagen, dass er uns kriegsgerichtlich belangen lässt, wenn wir diese Zeit übertreten oder ganz abhauen und die Urteile sind sehr schwer, wenn man wieder erwischt wird. Nun besteht ja die Aussicht, dass der Russe sich im kommenden Februar zurückzieht und sollte ich ohne Entlassungsschein abhauen, dann kann ich auch nicht in Leipzig bleiben, da der Tommy schon jetzt mit den Amis und Franzosen einen Auslieferungsvertrag für Deserteure hat. Die Folge wäre Bestrafung und dann Rückstellung in die Entlassung auf ein Jahr. So geht unser Arbeitsauftrag bis höchstens April 46 und sollte im Februar der Russe rausgehen und alliierte Besetzung erfolgen, komme ich sofort auf Urlaub. Ich habe mit Heinz lange darüber gesprochen, wie wir es mit Weihnachten machen könnten, da aber die Rückreise so ungewiss ist, ist es doch am besten, wenn ich nicht fahre. Du kannst mir glauben, dass ich lieber heute wie morgen kommen würde, aber in Hinsicht, dass meine Entlassung sich dann noch um ein Jahr hinausschiebt, hält mich davon ab, denn dann ist weder Dir noch mir geholfen. So habe ich im Frühjahr für den Tommy ein halbes Jahr gearbeitet, worauf ich mich
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