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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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mein Leben, ich habe es verdient, es steht mir zu.
    Manchmal bitte ich Gott um die Kraft zu widerstehen oder den Mut, alles hinter mir zu lassen. Und dann und wann habe ich das Gefühl, er erhört mich und ich kann es schaffen. Ich kann den moralischen Preis zahlen, den mein Leben fordert.
    Dann feiere ich den wiedergefundenen Mut, den Abstand zu jener Welt, die nicht meine ist und die mich nicht loslassen will. Es hält nicht lange vor.
    Ich kann nicht auf- und absteigen wie es mir passt. Ich kann den Tisch nicht verlassen. Das Spiel hat Regeln, es gibt eine Rolle zu spielen und einen ewigen Preis zu zahlen.
    Ich bin ein Feigling. Mir fehlt der Mut, vom Karussell zu springen oder so zu leben, wie es mir die Moral, die ich zu haben glaubte, vorschreibt.
    Also schwimme ich mit, lächle, sehe der Hölle ins Angesicht, streichle immer neue Frauen, vertraue auf eine Tablette. Ich lebe meine Schwäche aus.
    Ich bete. Beichte meine Sünden. Und warte auf Antwort.

 
    »Helden sind erst Helden, wenn sie sterben oder getötet werden. Lebende Helden gibt es nicht, junger Mann. Sie sind alle tot. Tot …«
    Javier Cercas, Soldaten von Salamis  
     
    »Die Grundlagen für eine Einigung gibt es, das erscheint mir eine gute Voraussetzung.«
    Der Mann nippt an seinem Kaffee. Der Restauranttisch, an dem er sitzt, ist als einziger besetzt. Ein Hinterzimmer, geschützt vor neugierigen Blicken.
    Sein Gast redet wenig und isst noch weniger. Schinken und Mozzarella, stilles Wasser, ein Malzkaffee.
    Es ist das erste Mal, dass er ihn persönlich sieht. Und er hofft, es möge auch das letzte Mal sein.
    »Haben Sie nichts zu sagen?«
    Die Antwort klingt so sanft und distanziert, dass er sich wünscht, die Frage nie gestellt zu haben.
    »Sie meinen also, die Voraussetzungen seien gut.«
    »Ganz genau.«
    Der Mann stellt die Tasse ab. Er trägt einen Ring. Mit einem roten Stein, einem Saphir. Er zieht ihn vom Zeigefinger, steckt ihn auf den Mittelfinger und dann wieder auf den Zeigefinger.
    »Und Sie glauben, das reicht?«
    Der Mann spürt, wie ihm das Herz stehenbleibt. Dieser Kerl hat keinerlei Gefühle, er fühlt nichts. Und genau deshalb durchschaut er jeden Bluff.
    Er versucht, wieder die Oberhand zu gewinnen.
    »Ich will ehrlich mit Ihnen sein«, sagt er. »Die Sache ist äußerst heikel, und …«
    Die beringte Hand schnellt empor und erstickt jedes Wort.
    »Sie begehen einen Fehler nach dem anderen, wissen Sie das? Wenn Sie sagen, Sie wollen ehrlich sein, muss ich annehmen, dass Sie es bisher nicht waren, und die nötigen Konsequenzen ziehen.«
    Der Mann schnauft, ihm ist heiß. Er friert.
    »Sagen Sie mir, was Sie wollen.«
    »Ich will nichts.«
    »Ja, verstehe. Verstehe. Sagen Sie mir, was die wollen.«
    Er lässt die Hand sinken und verschränkt die Arme. Nickt. Ein breites Lächeln erscheint auf seinem Gesicht.
    »Na, sehen Sie, so ist es schon viel besser. Sie lesen doch Zeitung, oder?«
    »Wenn Sie diesen Artikel meinen …«
    »Ich meine gar nichts. Das war eine einfache Frage.«
    »Ja, ich lese Zeitung.«
    »Gut. Ich nehme an, Sie können auch zwischen den Zeilen lesen.«
    Der Mann muss ganz plötzlich husten, die Furcht muss sich irgendwie Luft machen.
    Fast verächtlich gießt ihm sein Gegenüber einen Schluck Wasser ein und lässt ihn beim Trinken nicht aus den Augen.
    »Ich dachte, Sie seien hier, um mir Informationen zu geben, und stattdessen bedrohen Sie mich.«
    Der Mann streichelt den Saphir.
    »Sie irren sich. Selbst wenn ich wollte, könnte ich das nicht. Ich bin ein Soldat.«
    »Im Dienst zahlreicher Generäle.«
    Der Satz rutscht ihm heraus, und sofort beißt er sich auf die Zunge. Doch sein Gegenüber geht gar nicht darauf ein.
    »Sie wollen Ergebnisse«, sagt er. »Ausflüchte lassen sie nicht gelten. Kann ich ihnen mein Wort geben?«
    »Und können Sie mir Ihr Wort geben, dass alles wieder zur Ruhe kommt?«
    Sein Gast steht auf, knöpft die Jacke zu, zieht eine Sonnenbrille aus der Tasche und hält sie am offenen Bügel fest. Er lässt auf seine Antwort warten. Dann setzt er die Sonnenbrille auf und legt ihm eine Hand auf die Schulter. Einen Moment lang ist er sich sicher, bei dieser Berührung schreien zu müssen.
    »Nehmen Sie sich in Acht«, sagt er und geht zum Ausgang.
     
    Andrea klappt den Schirm auf und geht schneller. Der Regen ist ganz plötzlich gekommen, wie feuchter, fauliger Atem sinkt er zur Erde. Keine Tropfen, nur Dampf, ein uneingelöstes Versprechen.
    Er hat das Auto weit weg geparkt. Das

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