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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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wurde und von der Mafia in aller Ruhe ausgeräumt und sogar frisch gestrichen worden war, ehe es Monate später endlich zu einer Durchsuchung kam. Auch das war Teil der Abmachung, da ist er sich sicher.
    Er sagt es Vitale, und wieder hüllt sich der Cosa-Nostra-Mann in Schweigen. Eine Antwort, die der Richter nicht akzeptieren kann.
    »In Sizilien werden die Bosse entweder umgebracht oder verkauft. Kennen Sie das?«
    Der Mann im Bett schließt seufzend die Augen. Er wirkt sehr müde. Daniele steht auf und gießt sich ein Glas Wasser ein. Er trinkt. Noch einmal. Und noch einmal. Seine Kehle ist trocken, seine Gedanken finden keine Ruhe.
    »Haben Sie was Salziges gegessen?«
    Vitale sieht ihn an. Seine Augen sind auf sein Gesicht geheftet, verstohlen, wie hinter einem Uhrglas. Sie sind feucht, vielleicht vor Schmerzen. Oder vor Wut.
    Daniele setzt sich wieder.
    »Und danach?«
    »Wonach?«
    »Nach dem Januar ’93, Vitale. Riinas Verhaftung.«
    »Das war ein Kampf. Manch einer wollte mit den Morden weitermachen. Provenzano nicht. Und ihr hattet euer Haupt erhoben, Sicherheitsgefängnisse, Artikel 41, dieser ganze Dreck.«
    »Also entschließt man sich zum Aufbruch.«
    Vitale nickt.
    »Das wissen Sie doch, es steht in den Urteilsbegründungen. Provenzano gab den Attentaten nur grünes Licht, wenn sie außerhalb Siziliens stattfanden. In dem Fall hätte er zwar nicht ja gesagt, aber auch nicht nein.«
    Daniele klappt das Notizbuch zu und lässt den Finger zwischen den Seiten.
    »Reden wir über die Falange Armata, Vitale.«
    »Davon müssen Sie reden, Dottore, nicht ich. Die Falange Armata seid ihr. Ich hab in dieser besagten Versammlung davon reden hören. Zu den Morden habe sich diese Falange Armata bekannt. Soweit ich weiß, haben wir das nie direkt gemacht, abgesehen von den Bomben in Mailand und Rom.« Er leckt sich die Lippen, fährt sich mit der Hand über den Mund und wirft Daniele einen Blick zu wie ein Raubtier, das sein Opfer in seinen Bau gelockt hat. »Wollen Sie wissen, was dann passiert, Dottore? Denn das interessiert Sie doch am meisten.« Lächelnd wischt er sich die Hände am Laken ab.
    Daniele zwingt sich, seinem Blick standzuhalten, nicht zu schlucken, nicht mit der Wimper zu zucken, nicht das winzigste bisschen des blanken Grauens durchblicken zu lassen, das ihm den Atem abschnürt.
    Dann fährt Vitale in beiläufigem Plauderton fort.
    »Ende des Jahres sagt Provenzano mir, dass wir Cèrcasis Leute wählen sollen. Man müsse ranklotzen, um die Cosa Nostra für diese Partei zu erwärmen. Er persönlich habe Zusicherungen erhalten. Man würde die Cosa Nostra unterstützen, und mit der Zeit würde sich alles wieder einrenken. Wir würden wieder unsere Ruhe haben. Es bräuchte sieben Jahre Schweigen. Vielleicht zehn. Keine Bomben, kein Mucks. Alle müssen die Klappe halten und wieder an die Arbeit gehen.«
    »Und die Cosa Nostra wählt einen Banker?«
    Der Satz rutscht ihm einfach heraus, rettet ihn vor dem Ersticken.
    »Dottore, vergessen Sie Cèrcasi. Der hat nix damit zu tun, Sie müssen ganz woanders hingucken.«
    Der Richter lacht.
    »Sie haben mir gerade gesagt, die Cosa Nostra hätte mittels Provenzano einen Pakt mit …«
    Vitale fällt ihm ins Wort. Plötzlich scheint seine Erschöpfung verflogen zu sein.
    »Nein«, sagt er. »Nein. Ich habe gesagt, wir haben Cèrcasi gewählt, und nicht, wir sind mit ihm ein Bündnis eingegangen.«
    Eine fast unerträgliche Stille erfüllt das Zimmer, offene oder nie gestellte Fragen, Gedanken, die sich im Kreis drehen und keinen Ausgang finden. Es währt nur wenige, ewig erscheinende Sekunden.
    Dann bricht Vitale das Schweigen.
    »Sie haben doch Ihr Notizbuch, in dem Sie alles aufgeschrieben haben. Schauen Sie mal nach, an welchem Tag die Ferraras festgenommen werden. Und wo man sie hinbringt.«
    Daniele muss nicht nachsehen. Das ist einer der allzu vielen Zufälle, über die er gestolpert ist. Sie werden in Mailand gefasst, wohin sie Baldaccis Bericht nach Jahre zuvor gegangen waren, um zu sehen, wo ihr Geld geblieben war. Drei Tage danach verkündet Francesco Cèrcasi, er wolle eine Partei gründen und zu den Wahlen antreten.
    »Das ergibt keinen Sinn«, murmelt er. »Cèrcasi hat nichts mit euch zu tun. Nichts.«
    »Jetzt hören Sie doch mal mit diesem dämlichen Cèrcasi auf! Sie haben recht, er hat nichts mit uns zu tun.«
    Danieles Atem geht plötzlich schneller.
    »Sie haben mir von Riinas und Provenzanos Kontakten im Jahr 1991 erzählt, von dem

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