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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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verebbt.
    »Sie werden sich fragen, weshalb ich Sie sehen wollte.«
    »Ich dachte, Ignazio Solara wollte …«
    Sie hebt die Hand.
    »Es gibt einiges, was Sie nicht wissen.«
    Ich bleibe ungerührt. »Ich will niemandem mehr zuhören.«
    Clara sieht zu Boden.
    »Eigentlich bin ich hier, um Ihnen zu sagen, dass es mir leidtut.«
    »Das sagten Sie bereits.«
    Sie macht einen Schritt auf mich zu.
    »Ich meine nicht Ihren Vater.«
    »Sie mögen es nicht glauben wollen, Clara, aber ich brauche weder Entschuldigungen noch menschliche Nähe. Das Einzige, was ich mir wünsche, ist Stille.«
    »Sie haben recht, das ist schwer zu glauben.«
    Jetzt bin ich an der Reihe, wegzusehen und das Schauspiel dranzugeben.
    »Ich bin wahnsinnig müde«, flüstere ich. »Und ich habe nicht vor, noch etwas zu unternehmen.«
    Am Ausschnitt ihres Pullovers hängt eine Sonnenbrille. Sie nimmt sie ab, will sie erst aufsetzen und schiebt sie sich dann ins Haar.
    Sie wechselt das Thema.
    »Haben Sie sich jemals gefragt, was ein Staatsstreich ist?«
    Ihre Frage klingt, als würden wir an einem Bartresen sitzen und einen Kaffee schlürfen. Ich brauche ein paar Sekunden, ehe ich antworten kann. Ich möchte weit weg sein. Keine Fragen mehr hören, keine Antworten mehr geben müssen. Ich möchte ein paar Schritte gehen, den Pfad hinunter, der an den Klippen entlang zum Strand führt. Ich möchte die Schuhe ausziehen, den Sand zwischen den Zehen hindurchrinnen lassen. Der Brandung lauschen. Darauf warten, dass sie die Gedanken fortspült.
    Ich möchte alles hinter mir lassen. Auch die Wahrheit.
    »Der Versuch, mit Gewalt an die Macht zu kommen«, antworte ich.
    Claras Miene lässt keinen Zweifel darüber, was sie von meiner Antwort hält.
    »Brutal, aber korrekt. Ich könnte noch hinzufügen, dass ein Putsch auch das Ende jeglicher demokratischer Gewähr auf unbestimmte Zeit bedeutet. Aber wir reden hier nicht nur von Demokratie.«
    Ich sehe sie verständnislos an. Sie lässt ein winziges Lächeln aufblitzen.
    »Eine Macht, die von den Grundfesten her zerfällt«, fährt sie fort. »Die den Kontakt mit der Wirklichkeit verliert, Tag für Tag durch Korruption, Ermittlungen, Verhaftungen geschwächt wird. Und ein kriminelles System, das dieser Macht innewohnt. Das Verhältnis ist das eines Parasiten zu einer gesunden Zelle. Nur, dass man oft kaum unterscheiden kann, wer der Parasit ist.«
    »Sie sprachen von Staatsstreichen.«
    »Machtwechsel, wenn Ihnen der Ausdruck lieber ist.« Sie steckt die Hände in die Tasche. »Der Parasit braucht den Organismus. Und der Organismus kommt ohne den Parasiten nicht an das ran, was er will. Wenn der Staat und die Cosa Nostra sich auf ein gegenseitiges Lebenlassen einigen, ist das in Ihren Augen kein Staatsstreich? Wenn dieses gegenseitige Lebenlassen vorsieht, dass die Köpfe beider Organismen rollen, dass tote Äste, Gegner und die, die zu viel wissen und reden könnten oder nicht mehr nützlich sind, beseitigt werden, ist das in Ihren Augen kein Staatsstreich?«
    »Zwei.«
    Sie sieht mir in die Augen und verdrängt einen unaussprechlichen Gedanken.
    »Genau. Zwei. Einer, um Totò Riina von der Spitze der Cosa Nostra zu entfernen. Und einer, um die politische Macht wiederzubeleben.«
    »Mit einem klassischen Putsch hat das nichts zu tun.«
    Clara nickt.
    »Doch genau das ist passiert. Zuerst genügte die Einschüchterung. Angefangen bei der Piazza Fontana. Es gab einen Grund. Die beiden Blöcke, die strategische Position Italiens, die Kommunisten. Doch ’92 war’s damit vorbei. Die rote Gefahr gab’s nicht mehr. Gladio wurde aufgedeckt.«
    »Und versteckt.«
    »Natürlich, versteckt. Die Transformation ist in jedem Bereich unerlässlich, in der Wirtschaft, in der Finanzwelt, in meiner Branche.«
    »Ihre Branche …«
    »Was finden Sie daran so komisch? Dass das alte Märchen vom Geheimagenten-Playboy und der männermordenden Spionin, die dem Staatenlenker wichtige Informationen entlockt, nicht stimmt? Falls es Sie tröstet, das gibt es auch. Aber das ist nicht alles. Ich habe einen verantwortungsvollen Job, ich bin nicht Cameron Diaz und auch keine Hostess. Überdies sind nicht die Frauen schuld, wenn ein Mann nach ein paar Orgasmen Geheimnisse verrät, die er besser für sich behalten hätte.«
    Ich muss lächeln. Ich stelle mir vor, wie sie mit meinem Vater spricht. Und dann, wie sie verschreckt das Lenkrad umklammert und auf die Rauchsäule starrt. Es kommt mir vor, als wäre es gestern geschehen.
    »Als sie

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