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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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die Bombe in das Auto gepackt haben, war einer von uns dabei.«
    Der Satz ist ein ferner Schmerz, der besser im Verborgenen bliebe.
    »Welche Bombe?«
    »Ja, welche … Ich rede von Dottor Borsellino.«
    »Und wer wart ihr?«
    »Was nützen Kürzel und Namen? Ich könnte es Ihnen sagen, aber was würde das ändern? Die Menschen kommen und gehen, sie sind bei den Abmachungen nicht ausschlaggebend. Allein der Nutzen zählt.«
    »Ihr habt es gewusst und nichts unternommen.«
    Clara sieht weg und verschränkt die Arme. Der Kondensstreifen eines Flugzeuges teilt den Himmel.
    »Sie irren sich und haben recht zugleich.«
    Ich fahre herum. Das Maß des Erträglichen ist plötzlich voll. Sie wird starr, die Muskeln ihrer Arme zeichnen sich unter dem Pulli ab.
    Die Frage trifft sie wie eine Ohrfeige.
    »Wer seid ihr, verdammt noch mal?« Clara hält meinem Blick stand, versucht, die Spannung zu lösen, die Wut abzuleiten.
    »Wir wollen es mal logisch angehen. Da ist ein hoher Beamter des Geheimdienstes, der in Echtzeit von Paolo Borsellinos Tod in Kenntnis gesetzt wird. Da ist ein inoffizielles Geheimdienstbüro im Castello Utveggio, von dem man den Ort des Attentats perfekt überblickt. Da ist ein Geheimdienstbeamter, der bei der Anfertigung der Autobombe zugegen ist. Da ist ein Colonnello, der – aus ermittlungstechnischen Gründen, wie er sagt – den Mann kontaktiert, der im Zentrum des Fadenkreuzes aus Politik und Cosa-Nostra-Geschäften steht, Don Antonio Prestileo.
    Das würde schon reichen, ist aber noch nicht alles. Vincenzo Pellegrino, der Kopf der Gruppe, die die Ermittlungen zu den Anschlägen von Capaci und der Via d’Amelio führt, steht auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes. Informationsquelle Talete, um genau zu sein. Und wie es der Zufall will, schnappt er Curatolo, gibt ihm Zeugenschutz und glaubt ihm. Curatolo sagt, er sei bedroht, manipuliert und geschlagen worden. Pellegrino jedoch ist seit ein paar Monaten tot und kann nichts mehr sagen. Vor ein paar Tagen ist auch Antonio Prestileo gestorben. Am Vortag ist ein SISDE-Beamter in eine Mauer gerast. Angeblich eine Herzattacke. Die Autopsie hat das bestätigt. Ich frage mich, wo er den Saphirring gelassen hat, den er immer trug. Den hätte ich zu gern in Verwahrung genommen.«
    Sie seufzt.
    »Pellegrino unterstand direkt dem Innenministerium«, fährt sie fort. »Und rein zufällig wird behauptet, ausgerechnet der Innenminister würde der Verhandlung Rückendeckung geben. Nach einem Treffen mit dem Minister ist Borsellino völlig außer sich, während der Minister behauptet, er könne sich an das Treffen nicht erinnern. Ende 1992 wird Pellegrino von besagtem Minister nach Rom berufen und von seinem Posten in Palermo abgezogen. Zur allgemeinen Begeisterung kehrt er gerade noch rechtzeitig zurück, um sich um Curatolo zu kümmern.«
    Sie macht eine Pause, kramt eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche, zündet sich eine an und hält mir das Päckchen hin. Ich nehme eine und rauche sie langsam, während Clara wieder anfängt zu reden.
    »Das Problem sind nicht die umgeleiteten Geheimdienste. Die gibt es nicht. Wir reden von hohen Geheimdienstbeamten, von der Polizei, von kleinen Agenten, von Politikern und Ministern. Wir reden von fast öffentlich gepflegten Kontakten. Von polizeilicher Beteiligung an der Durchführung eines oder mehrerer Attentate. Von einer Tradition der Irreführung, die bei der Piazza Fontana angefangen hat und bis hierher nach Palermo führt. Es gibt keine Umleitung, verstehen Sie? Die Spur ist klar und deutlich. Eine geheimdienstliche Anweisung.«
    »Das gilt also auch für Sie.«
    »Sagen wir, nicht alle in unserer Branche waren mit dem, was passierte, einverstanden. Nicht alle waren der Auffassung, Borsellinos Tod sei ein gutes Geschäft. Oder es gebe nicht andere Wege als den, der sich abzuzeichnen begann.«
    »Was wusstet ihr von Cèrcasi?«
    Sie drückt die Zigarette aus.
    »Das war eine geniale Idee Ihrer Frau. Fragen Sie mich nicht, wie sie dahintergekommen ist, keine Ahnung. Aber dank ihr ist es uns aufgegangen. Ab da war alles ganz klar. Das ist das Unerträgliche an unserem Job. Alle haben begriffen, wie es läuft. Alle. Aber es passiert nichts. So zu tun, als würde man die alltägliche Lüge glauben, ist sehr viel schwieriger, als die Wahrheit aufzuzeigen.«
    »Vor allem, wenn man keine Beweise hat.«
    Clara nickt.
    »Genau. Und, glauben Sie mir, niemand wird diese Geschichte je beweisen können. Das Haus, in dem man wohnt,

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