Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen (German Edition)
nicht kalt oder tot oder dunkel war, sondern das genaue Gegenteil von all dem. Auch wenn ich es für den Rest meines Lebens versuchen würde, wäre ich nie in der Lage, dem Wesen gerecht zu werden, das nun auf mich zukam, oder auch nur annähernd fähig zu beschreiben, wie schön es war.
Aber ich werde es versuchen.
6
Ein Anker im Leben
Phyllis fuhr knapp zwei Stunden später als Eben IV., also um etwa 1.00 Uhr morgens, auf den Parkplatz des Krankenhauses. Als sie mein Zimmer auf der Intensivstation betrat, fand sie Eben IV. neben meinem Bett sitzend vor. Er hielt eines von den Krankenhauskissen umklammert, um sich wach zu halten.
»Mama ist zu Hause bei Bond«, sagte Eben in einem Ton, der klang, als sei er gleichzeitig müde, angespannt und glücklich, sie zu sehen.
Phyllis forderte Eben auf, er solle nach Hause gehen, denn wenn er die ganze Nacht aufbliebe, nachdem er von Delaware bis hierher gefahren sei, wäre er morgen niemandem mehr von Nutzen, auch seinem Vater nicht. Sie rief Holley und Jean bei uns zu Hause an und sagte ihnen, Eben IV. würde bald heimfahren, aber sie würde die Nacht in meinem Zimmer verbringen.
»Fahr nach Hause zu deiner Mutter und deiner Tante und deinem Bruder«, sagte sie zu Eben IV., nachdem sie aufgelegt hatte. »Sie brauchen dich. Dein Vater und ich sind hier, wenn du morgen wiederkommst.«
Eben IV. warf einen Blick auf meinen Körper, auf den durchsichtigen Atemschlauch aus Plastik, der durch mein rechtes Nasenloch bis in die Luftröhre reichte; auf meine dünnen, aufgesprungenen Lippen; auf meine geschlossenen Augen und die nachgebenden Gesichtsmuskeln.
Phyllis las seine Gedanken.
»Fahr nach Hause, Eben. Versuch, dir keine Sorgen zu machen. Dein Vater ist immer noch bei uns. Und ich lasse ihn nicht gehen.«
Sie trat an mein Bett, nahm meine Hand und fing an, sie zu massieren. Mit nur den Maschinen und der Nachtschwester, die jede Stunde hereinkam, um meine Werte zu überprüfen, als Gesellschaft, saß Phyllis nun für den Rest der Nacht da und hielt meine Hand. Dadurch sorgte sie für das Fortbestehen einer Verbindung, von der sie ganz genau wusste, dass sie entscheidend war, wenn ich dies überstehen sollte.
Es ist ein Klischee, dass die Familie für Menschen im Süden der USA eine ganz besondere Bedeutung hat. Aber wie an vielen Klischees ist auch an diesem etwas Wahres. Als ich 1988 nach Harvard kam, war eines der ersten Dinge, die mir an den Nordstaatlern auffielen, dass sie sich etwas zurückhaltender bezüglich einer Tatsache äußerten, die viele im Süden für selbstverständlich halten: dass die Familie bestimmt, wer man ist.
Mein ganzes Leben lang war meine Beziehung zu meiner Familie – zu meinen Eltern und Schwestern und später zu Holley, Eben IV. und Bond – eine wichtige Quelle der Kraft und der Stabilität, und das hat sich in den letzten Jahren sogar noch verstärkt. An meine Familie wandte ich mich, wenn ich bedingungslose Unterstützung brauchte in einer Welt, in der es – im Norden wie im Süden – nur allzu oft daran mangelt.
Gelegentlich ging ich mit Holley und den Kindern in die Kirche. Aber Tatsache ist, dass ich jahrelang nicht viel mehr als ein gelegentlicher Besucher war, der die Kirche nur zu Weihnachten und Ostern betrat. Ich ermunterte unsere Jungs, ihr Nachtgebet zu sprechen, aber ich war nicht gerade der spirituelle Lehrer in unserem Haus. Ich hatte immer meine Zweifel daran, ob das alles wirklich sein konnte. Auch wenn ich von meiner Erziehung her gern an Gott, den Himmel und ein Leben nach dem Tode glauben wollte, so war die Existenz dieser Dinge durch meine Jahrzehnte in der rein rationalen Welt der wissenschaftlichen Neurochirurgie zutiefst infrage gestellt worden. Die moderne Neurowissenschaft gestattet keinen Zweifel daran, dass das Gehirn das Bewusstsein hervorbringt – den Verstand, die Seele, den Geist oder wie immer Sie diesen unsichtbaren, immateriellen Teil von uns nennen wollen, der uns wirklich zu dem macht, was wir sind –, und ich war fest davon überzeugt, dass diese Lehrmeinung stimmte.
Wie die meisten im Gesundheitswesen Tätigen, die unmit telbar mit sterbenden Patienten und ihren Familien zu tun haben, hatte auch ich im Laufe der Jahre von einigen kaum erklärlichen Ereignissen gehört – und sie sogar mit eigenen Augen gesehen. Ich legte diese Vorkommnisse unter »unbekannt« ab, kümmerte mich nicht weiter darum und sagte mir, dass es bestimmt die eine oder andere vernünftige Erklärung dafür
Weitere Kostenlose Bücher