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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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ist?«
    »Nein«, sagte er. »Ich werde mich jetzt um die Hunde kümmern, und du suchst mir die Nummer raus, okay?«
    Er ging in Bademantel und Unterwäsche nach draußen, um Bon und Angus aus dem Zwinger zu lassen. Eshatte höchstens elf, zwölf Grad, und in der Luft hing ein weißer feinporiger Nebel. Aber der war immer noch angenehmer als die feuchtklebrige Kälte im Haus. Angus leckte Judes Hand. Die Zunge war rau und warm und so wirklich, dass Jude vor Dankbarkeit ein fast schmerzendes Ziehen in seiner Brust spürte. Er war froh, mit den nach feuchtem Fell stinkenden Hunden zusammen zu sein, die nichts weiter wollten als spielen. Sie hetzten an ihm vorbei, trieben sich gegenseitig voreinander her und kamen dann wieder zurückgerannt, wobei Angus nach Bons Schwanz schnappte.
    Judes Vater hatte seine Hunde immer besser behandelt als ihn oder seine Mutter. Mit der Zeit hatte das auf Jude abgefärbt, und er hatte gelernt, Hunde ebenfalls besser zu behandeln als sich selbst. Fast seine ganze Kindheit hatte er das Bett mit Hunden geteilt. Während er schlief, lagen links einer und rechts einer und manchmal noch ein dritter am Fußende. Er und die ungewaschene, primitive und von Zecken verseuchte Hundemeute seines Vaters waren unzertrennlich gewesen. Nichts erinnerte ihn schneller daran, wer er war und woher er kam, als beißender Hundegeruch, und als er schließlich ins Haus zurückkehrte, fühlte er sich wieder sicherer, wieder mehr bei sich.
    Als er das Büro betrat, sagte Danny gerade ins Telefon: »Ich danke Ihnen vielmals. Mr Coyne ist jetzt da, eine Sekunde.« Er drückte auf einen Knopf und hielt Jude das Telefon hin. »Sie heißt Jessica Price. Aus Florida.«
    Als Jude das Telefon nahm, fiel ihm auf, dass er gerade zum ersten Mal den vollen Namen der Frau gehört hatte. Als er sein Gebot auf den Geist abgegeben hatte, hatte ihn das einfach nicht interessiert. Jetzt allerdings kam es ihm so vor, als hätte er sich danach erkundigen sollen.
    Er runzelte die Stirn. Sie hatte den perfekten Allerweltsnamen, und doch erregte er aus irgendeinemGrund seine Aufmerksamkeit. Auch wenn er nicht glaubte, ihn schon einmal gehört zu haben, so lag es doch in der Natur eines solchen Namens, dass man ihn leicht vergaß. Er konnte sich also nicht sicher sein.
    Jude hob das Telefon ans Ohr und nickte. Danny drückte wieder auf den Knopf und holte den Anruf aus der Warteschleife.
    »Jessica? Judas Coyne.«
    »Wie gefällt Ihnen Ihr neuer Anzug, Mr Coyne?«, fragte sie. In ihrer natürlichen, angenehmen Stimme klang ein feiner melodischer Südstaatenakzent durch … und noch etwas. Die Andeutung sanft stichelnden Spotts.
    »Wie hat er ausgesehen?«, fragte Jude. Er war nie der Typ gewesen, der viel Zeit damit verplemperte, bis er zum Punkt kam. »Ihr Stiefvater, meine ich.«
    »Reese, mein Schatz«, sagte die Frau. Ganz offensichtlich sprach sie nun mit jemand anderem. »Reese, mach bitte den Fernseher aus und geh nach draußen, okay?« Jude hörte eine nörgelnde Stimme im Hintergrund, die eines Mädchens. »Weil ich jetzt telefoniere.« Das Mädchen sagte wieder etwas. »Weil es was Persönliches ist. Los jetzt, geh raus.« Eine Fliegengittertür fiel zu. Gedankenverloren stieß die Frau einen »Ach, diese Kinder«-Seufzer aus und sagte dann zu Jude: »Haben Sie ihn gesehen? Wie war's, wenn erst Sie mir sagen, wie er ausgesehen hat, und dann sage ich Ihnen, ob er es war?«
    Die verarscht mich. Die versucht tatsächlich, mich zu verarschen.
    »Ich schicke ihn zurück«, sagte Jude.
    »Den Anzug? Klar, kein Problem. Sie können ihn ruhig zurückschicken. Das heißt aber nicht, dass der alte Herr mitkommt. Keine Rückerstattung, Mr Coyne, kein Umtausch.«
    Danny schaute Jude an. Er lächelte verblüfft und runzelte gleichzeitig nachdenklich die Stirn. Jude fiel zumersten Mal auf, wie scharf und laut er ein- und ausatmete. Krampfhaft überlegte er, was er sagen sollte.
    Sie kam ihm zuvor. »Ist es kalt bei Ihnen? Jede Wette. Und was glauben Sie, wie viel kälter das noch wird, bis er mit Ihnen fertig ist?«
    »Was wollen Sie eigentlich? Mehr Geld? Das können Sie vergessen.«
    »Sie ist nach Hause gekommen und hat sich umgebracht, Sie Arschloch«, sagte sie, diese Jessica Price aus Florida, deren Name ihm zwar unbekannt war, aber dann doch wieder nicht so unbekannt, wie er gern geglaubt hätte. Ohne Vorwarnung war der gutlaunige Lack von ihrer Stimme abgefallen. »Nachdem Sie mit ihr fertig waren, hat sie sich in die Badewanne

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