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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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gar nicht, sagte Jude zu sich selbst. Es ist überhaupt niemand da.
    Der alte Mann hatte den Kopf nach vorn geneigt. Sein Hut lag auf einem der Knie. Die dichten Haarstoppelnglitzerten wie frischer Frost. Die vom Mondschein verchromten Knöpfe an der Vorderseite seiner Jacke funkelten im Halbdunkel. Jude erkannte den Anzug sofort. Zuletzt hatte er ihn in der schwarzen herzförmigen Schachtel gesehen, die er hinten in seinem Wandschrank verstaut hatte. Die Augen des alten Mannes waren geschlossen.
    Judes Herz pochte, und sogar das Atmen strengte ihn an, während er sich auf sein Schlafzimmer zubewegte, das ganz am Ende des Flurs lag. Als er an dem Shaker-Stuhl vorbeiging, der links von ihm an der Wand stand, berührte er mit seinem Bein das Knie des alten Mannes, der darauf den Kopf hob. Doch da war Jude schon an ihm vorbei und hatte sein Zimmer fast erreicht. Er achtete darauf, nicht zu schnell zu gehen. Es war ihm egal, ob der alte Mann seinen Rücken anstarrte, Hauptsache, sie hatten keinen Augenkontakt… und abgesehen davon: Da war ja gar kein alter Mann.
    Er schlüpfte ins Zimmer, verschloss die Tür hinter sich und ging auf direktem Weg ins Bett, wo er sofort zu zittern anfing. Irgendwie hatte er das Bedürfnis, sich an Georgia zu schmiegen, wollte sich an ihr festhalten, wollte, dass die Wärme ihres Körpers sein Frösteln vertrieb. Aber weil er sie nicht wecken wollte, blieb er auf seiner Seite des Bettes und starrte die Decke an.
    Georgia war unruhig und stöhnte unglücklich im Schlaf.
    7
    Er hatte eigentlich nicht damit gerechnet, noch einmal einschlafen zu können, doch beim ersten Morgenlicht döste er ein und wachte erst nach neun wieder auf, ungewöhnlich spät für ihn. Georgia lag auf der Seite. Ihre kleine Hand lag locker auf seiner Brust, ihr Atem strich weich über seine Schulter. Er löste sich von ihr, schlüpfte aus dem Bett, warf sich seinen Bademantel über die Schultern und ging nach unten.
    Die Dobro lehnte an der Stelle der Wand, wo er sie hatte stehen lassen. Der Anblick schlug ihm auf den Magen. Er hatte versucht, sich vorzumachen, dass er nicht gesehen hatte, was er gesehen hatte. Er hatte sich fest vorgenommen, nicht mehr daran zu denken. Aber da stand die Dobro.
    Als er aus dem Fenster schaute, sah er Dannys Wagen neben der Scheune stehen. Er hatte nichts mit Danny zu besprechen, es gab keinen Grund, ihn zu stören, aber schon im nächsten Augenblick stand er vor der Tür zum Büro. Er konnte nicht anders. Der Drang nach der Gesellschaft eines anderen menschlichen Wesens, nach jemandem, der wach und bei Bewusstsein war und den Kopf voller Alltagskrempel hatte, war unwiderstehlich.
    Danny saß mit zurückgelegtem Kopf auf seinem Bürostuhl, hatte das Telefon am Ohr und lachte über irgendetwas. Er hatte noch seine Wildlederjacke an. Jude musste nicht fragen, warum. Die Luft im Büro war feucht und kalt. Er selbst hatte unter dem Bademantel die Arme um den Körper geschlungen.
    Danny sah, wie Jude zur Tür hereinkam und zwinkerteihm zu – noch so eine Hollywood-Arschkriecher-Attitüde, auf die er stand. Allerdings war es Jude an diesem Morgen egal. Dann sah Danny Judes Gesicht und runzelte die Stirn. Seine Lippen formten die Worte Alles in Ordnung? Jude gab keine Antwort. Er konnte es nicht sagen.
    Danny entledigte sich seines Gesprächspartners, schwang auf seinem Stuhl herum und sah Jude mit besorgtem Gesicht an. »Was ist los, Chef? Du siehst beschissen aus.«
    »Der Geist war da«, sagte Jude.
    »Tatsächlich?«, sagte Danny und strahlte ihn an. Dann schlang auch er sich die Arme um den Körper, gab den Erfrierenden und nickte in Richtung Telefon. »Hab gerade mit der Heizungsfirma gesprochen. Arschkalt hier, wie in einem Grab. Die schicken jemanden her, der sich den Heizkessel anschaut.«
    »Ich will mit ihr sprechen.«
    »Mit wem?«
    »Mit der Frau, die uns den Geist verkauft hat.«
    Danny senkte die eine seiner Augenbrauen, lupfte die andere und schaute Jude mit einem Gesicht an, das fragte, ob er da etwas nicht richtig mitbekommen habe.
    »Was soll das heißen … Der Geist war da?«
    »Der Geist, den wir bestellt haben … der war da. Ich will mit ihr sprechen. Da gibt's ein paar Sachen, die ich wissen muss.«
    Danny schien eine Sekunde zu brauchen, bis er das Gehörte verarbeitet hatte. Er rollte ein Stückchen zurück zu seinem Computer und nahm das Telefon in die Hand, ohne dabei jedoch Jude aus den Augen zu lassen. Er sagte: »Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung

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