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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Darüber stand in Leuchtbuchstaben INTENSIVSTATION.
    Den kleinen, plumpen Sicherheitsmann, der sich ihm in den Weg stellte, umkurvte er einfach. Der Mietbulle drehte sich um, setzte sich in Trab und versuchte keuchend, zu ihm aufzuschließen. Jude stürmte in die Station, als Bon gerade links in einem abgedunkelten Raum verschwand.
    Jude betrat den Raum. Von Bon war nichts zu sehen, aber in dem einzigen Bett lag Marybeth. Quer über ihren Hals verlief eine schwarze Naht, in einem der Nasenlöcher steckte ein Luftschlauch, und die Apparaturen, die sie umgaben, piepten zufrieden in der Dunkelheit. Als Jude ihren Namen aussprach, öffnete sie die verschwollenen Augen zu schmalen Schlitzen. Das Gesicht sah zerschlagen aus, die Haut ölig und blass. Sie wirkte ausgezehrt. Bei dem Anblick zog sich Jude das Herz warm und fest zusammen. Er setzte sich auf die Kante des Krankenbetts, beugte sich über sie und nahm sie in die Arme. Ihre Haut war wie Papier, die Knochen waren wie hohle Stiele. Er legte das Gesicht an ihren verletzten Hals und in ihr Haar und atmete tief ein. Er brauchte ihren Geruch, den Beweis, dass sie da war, dass sie wirklich lebte. Sie hob schwach eine Hand und legte sie ihm auf die Seite, bewegte sie höher und strich ihm über den Rücken. Er küsste sie, und ihre Lippen waren kalt und zitterten.
    »Hab gedacht, du wärst tot«, sagte Jude. »Wir waren wieder im Mustang, mit Anna, und ich hab gedacht, du wärst tot.«
    »Ach, Quatsch«, flüsterte Marybeth. Ihre Stimme war kaum lauter als ein Atemzug. »Ich bin einfach ausgestiegen. Hatte die Schnauze voll von der ganzen Autofahrerei. Was meinst du, Jude, zurück nach Hause, ob wir da vielleicht fliegen könnten?«
    50
    Er lag wach im Bett, obwohl er lieber geschlafen hätte, als er auf einmal hörte, wie jemand vorsichtig die Tür öffnete. Er drehte sich um und fragte sich, welcher Tote, welche Rocklegende oder welches Tiergespenst ihn wohl jetzt besuchen kam, aber es war nur Nan Shreve. Sie trug ein Business-Kostüm und fleischfarbene Nylonstrümpfe. Ihre hochhackigen Schuhe hielt sie in der Hand. Sie trippelte auf Zehenspitzen ins Zimmer und schloss leise die Tür.
    »Hab mich reingeschlichen«, sagte sie, rümpfte die Nase und zwinkerte ihm zu. »Dürfte eigentlich noch gar nicht hier sein.«
    Nan war eine kleine, drahtige Frau, die Jude kaum bis zur Brust reichte. Als soziales Wesen war sie eher ungeschickt. Sie hatte keine Ahnung, wie man lächelte. Ihr Grinsen war ein steifer, peinlicher Schwindel, der nichts von dem vermittelte, was ein Lächeln eigentlich vermitteln sollte: Zuversicht, Optimismus, Wärme, Vergnügen. Sie war sechsundvierzig, verheiratet, hatte zwei Kinder und war seit fast zehn Jahren seine Anwältin. Befreundet war Jude allerdings schon länger mit ihr, da war sie gerade einmal zwanzig gewesen. Schon damals hatte sie keine Ahnung gehabt, wie man lächelte, damals hatte sie es nicht einmal versucht. Damals war sie auf Drogen gewesen und ein richtiges Miststück, und Nan hatte er sie auch nicht genannt.
    »He, Tennessee«, sagte Jude. »Und warum dürftest du noch nicht hier sein?«
    Sie war schon auf dem Weg zu Bett gewesen, bliebjetzt aber stehen. Er hatte sie nicht Tennessee nennen wollen, es war ihm einfach so herausgerutscht. Er war müde. Ihre Wimpern zitterten, und eine Sekunde lang sah ihr Lächeln sogar noch unglücklicher aus als sonst. Dann ging sie weiter und setzte sich auf den Plastikstuhl, der neben dem Bett stand.
    »Ich war eigentlich mit einem gewissen Quinn verabredet, unten im Eingangsbereich«, sagte sie und schlüpfte wieder in ihre Schuhe. »Das ist der ermittelnde Detective, der zusammenpuzzeln soll, was da draußen bei euch passiert ist. Ich glaube allerdings, dass er jetzt nicht so bald kommt. Auf dem Weg hierher bin ich an einem total demolierten Auto vorbeigekommen. Mir war so, als hätte ich am Straßenrand seinen Wagen gesehen. Wahrscheinlich greift er den Kollegen von der Verkehrspolizei unter die Arme.«
    »Was wirft man mir vor?«
    »Warum sollte man dir irgendwas vorwerfen? Dein Vater hat dich angegriffen, Jude. Er hat euch beide angegriffen. Ihr könnt von Glück sagen, dass ihr noch lebt. Quinn will bloß deine Aussage. Erzähl ihm einfach, was im Haus passiert ist. Sag ihm die Wahrheit.« Als sie seinen Blick sah, sprach sie sehr langsam weiter, wie eine Mutter, die ihrem Kind einfache, aber wichtige Anweisungen gab. »Dein Vater ist ausgerastet. So was passiert. Die haben sogar einen Namen

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