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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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vielen Stunden in einer überheizten Zelle hatte zwar seine Zunge gelockert, aber sein Mitteilungsbedürfnis schien doch äußerst temporär. Als sein Durst gelöscht war, verstummte er wieder.
    Er saß auf einem unbequemen Holzstuhl. Im Grunde bot das acht Quadratmeter große Zimmer nur Platz für zwei Stühle, denn es enthielt auch noch einen klobigen doppelten Aktenschrank von allerstaatlichster Sorte, brandlackierte Bücherregale aus Leichtmetall voller nach Farben sortierter Ordner und einen Schreibtisch. Zur Wand hin trug der Schreibtisch kleine Stiefel aus Metall, deshalb war die Schreibplatte schräg. Und das, seit ein Amtsarzt auf die Idee gekommen war, den Angestellten einen Ergotherapeuten an den Hals zu jagen. Schiefe Schreibflächen sollten gut für den Rücken sein. Niemand wußte, warum; die meisten hatten sogar das Gefühl, daß ihre Rückenprobleme sich verschlimmerten, weil sie immer wieder auf dem Boden nach Gegenständen fahnden mußten, die die schräge Tischplatte hinabgekullert waren. Der zusätzliche Stuhl raubte das letzte bißchen Bewegungsfreiheit.
    Das Büro gehörte Hanne Wilhelmsen. Sie war eine strahlende Schönheit und soeben verbeamtet worden. Nachdem sie die Polizeischule als Jahrgangsbeste absolviert hatte, war sie im Laufe von zehn Jahren zur Bilderbuchpolizistin geworden. Alle lobten Hanne Wilhelmsen, ein einzigartiger Erfolg an einem Arbeitsplatz, wo zehn Prozent des täglichen Einsatzes darin bestehen, schlecht über andere zu sprechen. Sie gab Vorgesetzten nach, ohne deshalb als Speichelleckerin zu erscheinen, trug aber auch ihre eigenen Meinungen vor. Sie war dem System gegenüber loyal, brachte aber auch Verbesserungsvorschläge, die zumeist umgesetzt wurden. Hanne Wilhelmsen hatte die Intuition, über die nur einer von hundert Polizisten verfügt; das Fingerspitzengefühl, das verrät, wann ein Verdächtiger verlockt und verleitet werden soll und wann man besser droht und auf den Tisch haut.
    Sie wurde geachtet und bewundert und verdiente das auch. Und trotzdem kannte niemand in dem großen grauen Haus sie wirklich. Sie besuchte alljährlich Weihnachtsfeier, Sommerfest und die Geburtstagsfeiern der Abteilung, tanzte wunderbar, erzählte von der Arbeit, verbreitete strahlendes Lächeln und ging zehn Minuten nach dem Ersten nach Hause, weder zu früh noch zu spät. Sie betrank sich nie und blamierte sich nie. Und niemand kam näher an sie heran.
    Hanne Wilhelmsen war mit sich und der Welt zufrieden, hatte aber zwischen ihren Beruf und ihr Privatleben einen tiefen Graben gezogen. Sie hatte keine einzige Freundin bei der Polizei. Hanne Wilhelmsen liebte eine andere Frau, ein Makel an diesem perfekten Menschen, dessen Entlarvung, davon war sie überzeugt, alles zerstören würde, was sie sich in so vielen Jahren aufgebaut hatte. Wenn sie ihre einen halben Meter langen braunschwarzen Haare nach hinten schleuderte, reichte das aus, um alle Fragen nach dem schmalen Trauring an ihrer rechten Hand, ihrem einzigen Schmuck, abzuwehren. Den Ring hatte ihre Liebste ihr geschenkt, als sie – sie war neunzehn gewesen – zusammengezogen waren. Es gab Gerüchte, es gibt schließlich immer Gerüchte. Aber sie war doch so schön. Und so weiblich. Und die Ärztin, die einige flüchtig über Bekannte kannten und die andere mehrmals zusammen mit Hanne Wilhelmsen gesehen hatten, war auch sehr schön. Fast schon lächerlich mädchenhaft. Es konnte einfach nicht stimmen. Und Hanne Wilhelmsen trug immer einen Rock, wenn Uniform angesagt war, das tat doch sonst fast keine, Hosen waren schließlich viel praktischer. Diese Gerüchte waren einfach üble Nachrede. So lebte sie ihr Leben in der Gewißheit, daß das, was nicht bestätigt wird, niemals wirklich wahr ist, und deshalb war es für Hanne Wilhelmsen wichtiger als für alle anderen in dem großen Haus, immer, immer gute Arbeit zu leisten. Die Perfektion umgab sie wie ein Schild. So wollte sie es, und da sie weder spitze Ellbogen noch einen anderen Ehrgeiz zeigte als den, gute Arbeit zu leisten, konnten auch Eifersucht oder Neid ihre Verteidigungsanlagen nicht zerstören.
    Sie lächelte Håkon Sand, der auf dem zusätzlichen Stuhl Platz genommen hatte, an.
    »Glaubst du, ich stelle nicht die richtigen Fragen?«
    »Ach was. Das ist dein Gebiet, das weiß ich. Ich habe nur das Gefühl, daß das ein dickes Ding ist. Wie gesagt, wenn du nichts dagegen hast, möchte ich gern dabeisein. Das ist nicht gegen die Vorschriften«, fügte er rasch hinzu.
    Er

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