Blindes Grauen
konnte nie einfach nachgeben. Er musste einen niedermachen, wenn er etwas genehmigte. »Die anderen Sachen? Geld? Rang? Mir egal. Ich will einfach bloß den Job. Das ist nicht verhandelbar. Einverstanden oder nicht?«
»Ich leg Sie mal in die Warteschleife, mein Freund.«
Das Telefon verstummte.
Major Denny Hicks kehrte zurück und starrte Gooch an. Er tat, als wäre er entsetzt und empört, dass Gooch immer noch hier war. Er riss die Augen auf und versuchte, seinen Kaugummi in Atome zu zerbeißen. »Nein, nein, nein«, sagte er. »Sie sind doch nicht immer noch hier, Gooch.«
Gooch deutete auf den Hörer. »Am Telefon, Major«, sagte er.
»Ach, jetzt bin ich ›Major‹? Vor fünf Minuten haben Sie mich noch ›Junge‹ genannt.«
»Aber jetzt, wo Sie wieder mein Vorgesetzter sind …«
Hicks blies zum Angriff auf seinen Kaugummi, die Augen zusammengekniffen. »Was zur Hölle soll das heißen?«
Bürgermeister Diggs meldete sich zurück. Gooch hob seine Hand, die Handfläche Major Hicks entgegengestreckt.
»Gooch?«, fragte Bürgermeister Diggs.
»Ja, Sir.«
»Gehaltsminderung. Minderung des Dienstalters. Herabstufung im Rang, zwei Ebenen. Sie kehren als schlichter Detective zurück.« Gooch konnte den Bürgermeister am anderen Ende der Leitung praktisch grinsen sehen. »Oh … und, Gooch? Sie berichten jetzt an MeChelle Deakes. Im Gegensatz zu damals, umgekehrt.«
Gooch konnte die Erleichterung überraschenderweise körperlich spüren. »In Ordnung, Herr Bürgermeister«, sagte er. Und dann: »Ich schulde Ihnen was.« Der Bürgermeister achtete auf solche Gefälligkeiten. Er liebte nichts mehr, als dass ihm die Leute etwas schuldeten.
»Das tun Sie verdammt noch mal allerdings, Detective «, sagte der Bürgermeister. »Ich lasse meinen Stellvertreter bei der Personalabteilung anrufen, in einer Stunde ist der Papierkram fertig.«
»Gooch.« Das war Major Hicks, der sich über den Schreibtisch beugte und Gooch’ Stiefel von der Oberfläche stieß. »Raus. Jetzt.«
Gooch stand auf. »Wenn Sie was wollen, Major, ich bin unterwegs«, sagte er. »Ich mache mich auf die Suche nach Sergeant Deakes, wir arbeiten an einem Fall.« Er entdeckte einen MP3-Player auf dem Schreibtisch und schnappte ihn sich.
Dann reichte Gooch den Hörer an Hicks weiter. Der Major nahm das Telefon und starrte es an, als hätte Gooch ihm gerade einen kalten, glitschigen Hundehaufen in die Hand gedrückt. Gooch verließ das Büro als Hicks blaffte: »Wer ist da?«
Denny Hicks ruderte noch immer vom Bürgermeister zurück, als Gooch bereits zur Tür hinausging.
Er sah sich um. Cody Floss kam mit einer Aktenmappe in der Hand um die Ecke. Gooch schnipste mit den Fingern in Codys Richtung.
»Nimm die Akte mit«, sagte er. »Los geht’s.«
Dann marschierte er zur Eingangstür hinaus. Er wünschte sich beinahe, er hätte bleiben können. Es wäre ihm durchaus einen Fünfer Wert gewesen, den Ausdruck auf Denny Hicks Gesicht zu sehen, wenn der Bürgermeister ihm berichtete, dass Gooch wieder im Dienst war.
8
MeChelle stand da und hielt das Telefon in der Hand. Kein Wählton. Bloß eine tote Leitung. Sie tastete nach der Gabel, drückte eine Sekunde darauf, ließ los. Immer noch kein Wählton. Sie probierte es noch einmal. Nichts. Nur ein leises, fernes Summen.
Sie legte den Hörer hin. Hatte sie irgendjemand dort draußen gehört?
Na ja, entweder hatte er oder nicht. Jetzt musste sie erst mal weitermachen, sie musste versuchen, hier herauszukommen.
Sie fing in der Küche an. Dort gab es nichts, außer den Sachen im Kühlschrank. Keine Messer in den Schubladen, keine Teller, keine Reinigungsmittel, keine Türen.
Sie tastete wieder die Wand entlang, sie ging einmal rund um die ganze Wohnung. Diesmal gründlicher, sie suchte nach oben und nach unten, wie in einem Raster.
Nichts.
Genau wie vorher. Schaumstoffgedämmte Wände, keine Fenster, Stahltür. Keine Steckdosen, keine Klimaanlagenschächte, nichts.
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Sie war gefangen. Zwei Zimmer. Eine Küche und ein daran anschließender größerer Raum. Zwei schwere Stahltüren. Dicker, schwerer Teppich, der ihre Schritte verschluckte. Es war ein neuer Teppich: Sie konnte den frischen Formaldehydgeruch wahrnehmen. Das war der stärkste Geruch, der Teppich. Aber da war noch etwas, etwas ein wenig Saures, was sie nicht gleich identifizieren konnte. Keine Möbel, außer dem Tisch mit dem Telefon und einem weiteren, größeren Tisch. Auf dem Tisch stand eine
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