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Blindes Vertrauen

Blindes Vertrauen

Titel: Blindes Vertrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Merritt zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und tupfte sich damit die Augen unter der Sonnenbrille ab. »Ich
weiß nicht, wo die noch herkommen«, sagte sie und meinte damit die vom Taschentuch aufgesogenen Tränen. »Eigentlich müßte ich schon völlig ausgetrocknet sein.«
    Â»Möchten Sie darüber reden?« fragte Barrie behutsam. Ȇber das Baby?«
    Â»Robert Rushton Merritt«, sagte sie nachdrücklich. »Warum vermeidet es jeder, seinen Namen zu nennen? Er hatte einen Namen, Himmel noch mal! Das Baby war drei Monate lang ein Mensch und hatte einen Namen .«
    Â»Wahrscheinlich …«
    Aber Mrs. Merritt ließ Barrie nicht zu Wort kommen. »Rushton war der Mädchenname meiner Mutter«, erklärte sie. »Es hätte sie gefreut, daß ihr erster Enkel den Namen ihrer Familie trägt.«
    Beim Sprechen starrte sie auf den aufgewühlten Kanal. Ihre Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne. »Und der Name Robert hat mir schon immer gefallen. Ein geradliniger, schnörkelloser Name ohne irgendwelchen Scheiß.«
    Dieser vulgäre Ausdruck verblüffte Barrie, weil er überhaupt nicht zu Vanessa Merritts Südstaatenlady -Persönlichkeit paßte. Barrie war ihr Leben lang noch nie so um Worte verlegen gewesen. Was wäre unter diesen Umständen passend gewesen? Was sagte man zu einer Frau, die vor kurzem ihr Baby begraben hatte? Hübsche Beerdigung?
    Â»Was wissen Sie darüber?« fragte Mrs. Merritt plötzlich. Auf diese Frage war Barrie nicht gefaßt. War das eine Herausforderung? Was wissen Sie schon darüber, wie es ist, ein Kind zu verlieren? Was wissen Sie eigentlich überhaupt?
    Â»Meinen Sie…? Meinen Sie den Tod des Babys… Roberts Tod?«
    Â»Ja. Was wissen Sie darüber?«
    Â»Ãœber den plötzlichen Kindstod weiß niemand so recht Bescheid,
nicht wahr?« fragte Barrie, während sie versuchte, den eigentlichen Sinn dieser Frage zu erfassen.
    Mrs. Merritt hatte sich die Sache mit der Zigarette offenbar anders überlegt und riß die Packung auf. Ihre Bewegungen waren die einer Marionette, eckig und ruckartig. Ihre Finger zitterten, als sie die Zigarette an ihre Lippen führte. Barrie angelte rasch ein Feuerzeug aus ihrer Umhängetasche. Vanessa Merritt sprach erst weiter, nachdem sie mehrmals tief inhaliert hatte. Aber die Zigarette beruhigte sie nicht. Statt dessen wurde sie immer erregter.
    Â»Robert hat auf der Seite liegend geschlafen – von einem kleinen Kissen gestützt, das ich ihm wie empfohlen untergeschoben hatte. Alles ist so schnell passiert! Wie konnte…« Ihre Stimme versagte.
    Â»Machen Sie sich deswegen Vorwürfe? Hören Sie mir bitte gut zu, Mrs. Merritt.« Barrie griff über den Tisch, nahm ihr die Zigarette aus den Fingern und drückte sie im Aschenbecher aus. Dann nahm sie Vanessa Merritts kalte Hände zwischen ihre. Diese impulsive Geste wurde von den Männern am anderen Tisch registriert.
    Â»Robert ist dem Krippentod zum Opfer gefallen. Jedes Jahr verlieren Tausende von Eltern ein Baby durch plötzlichen Kindstod, und alle stellen anschließend ihre elterlichen Fähigkeiten in Frage. Es liegt in der menschlichend Natur, angesichts einer Tragödie die Schuldfrage zu stellen, deshalb belasten die betroffenen Eltern sich mit Schuldgefühlen. Aber in diese Falle dürfen Sie nicht tappen. Wenn Sie anfangen, sich für den Tod Ihres Babys verantwortlich zu fühlen, kommen Sie unter Umständen nie darüber hinweg.«
    Mrs. Merritt schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, das verstehen Sie nicht. Roberts Tod war meine Schuld.« Hinter der Sonnenbrille irrte ihr Blick umher. Sie entzog Barrie ihre
Hände und berührte auf ihrer rastlosen Suche nach Ruhe ihre Wangen, die Tischplatte, ihren Schoß, den Kaffeelöffel und ihren Hals. »Die letzten Monate meiner Schwangerschaft waren unerträglich.«
    Einen Moment lang legte sie sich die Hand auf den Mund, als wäre das letzte Schwangerschaftsdrittel unaussprechlich schmerzhaft gewesen. »Und dann ist Robert auf die Welt gekommen. Aber statt daß es sich, wie ich gehofft hatte, gebessert hätte, ist alles nur noch schlimmer geworden. Ich konnte nicht …«
    Â»Was konnten Sie nicht? Ihrer neuen Verantwortung gerecht werden? Alle jungen Mütter haben Wochenbettdepressionen und fühlen sich überfordert«,

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