Blindlings
Wesson.
Anschließend schleppte ich Lindholm zu der Öffnung und ließ ihn hinunterfallen. Er schlug ein paarmal dumpf auf.
Danach herrschte Stille - ewige Stille, wie ich hoffte. Ich kehrte zum Wagen zurück, zog mich um und kehrte das Äußere der blutbeschmierten Kleidungsstücke nach innen, damit nichts im Koffer schmutzig wurde. Den Totschläger, die Pistole und Cookes verdammtes Päckchen warf ich hinzu, bevor ich den Koffer schloß. Dann setzte ich die anstrengende Reise nach Reykjavik fort. Ich war hundemüde.
2
Es war später Abend, als ich vor dem Hotel Sage hielt. Dank des nordischen Sommers war es immer noch hell draußen.
Meine Augen brannten, weil ich auf die untergehende Sonne zugefahren war, und einen Moment lang blieb ich wie betäubt sitzen. Wäre ich zwei Minuten länger im Wagen geblieben, hätte ich dem nächsten Verhängnis entgehen können, aber das Schicksal wollte es offensichtlich anders. Ich stieg aus und wollte eben den Koffer herausholen, als ein großer Mann aus dem Hotel trat, stehenblieb und erstaunt ausrief: »Alan Stewart!« Ich schaute hoch und fluchte innerlich. Der Mann in der Uniform des Icelandair-Piloten war so ziemlich der letzte, dem ich begegnen wollte - Bjarni Ragnarsson. »Hallo, Bjarni«, grüßte ich lustlos.
Wir schüttelten uns die Hände. »Elin hat mir gar nicht erzählt, daß du kommst.«
»Sie hat auch keine Ahnung«, sagte ich. »Ich habe mich ganz kurzfristig entschlossen. Ich hatte nicht mal Zeit zu telefonieren.«
Er warf einen Blick auf meinem Koffer, der auf dem Gehsteig stand. »Wohnst du etwa im Saga?« fragte er verblüfft.
Ich mußte mir schnell was einfallen lassen. »Nein«, antwortete ich. »Ich fahre in die Wohnung.« Eigentlich wollte ich Elin gar nicht in die Sache hineinziehen. Aber ihr Bruder würde ihr mit Sicherheit brühwarm von meiner Ankunft in Reykjavik berichten, und ich wollte sie nicht dadurch verletzten, daß ich nicht zu ihr ging. Elin war etwas Besonderes.
Ich sah, wie Bjarni neugierig den Wagen betrachtete. “Den lasse ich hier«, erklärte ich wie beiläufig. »Kleiner Freundschaftsdienst für einen Bekannten. Zur Wohnung nehme ich ein Taxi.«
Das leuchtete ihm ein. »Bleibst du lang?‹› fragte er. »Bis zum Ende des Sommers, wie immer.« »Wir müssen mal zusammen angeln gehen.« Ich pflichtete ihm bei. »Bist du schon Vater geworden?« »Noch einen Monat«, antwortete er bedrückt. »Mir graust davor.«
Ich lachte. »Das ist doch wohl eher Kristins Problem. Die meiste Zeit bist du ja sowieso nicht im Land. Du wirst kaum Gelegenheit haben, das Baby zu wickeln.« Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten wie alte Freunde, die sich wieder mal getroffen haben. Dann warf Bjarni einen Blick auf seine Uhr.
»Ich habe einen Flug nach Grönland«, sagte er. »Ich muß gehen. Ich ruf dich an.«
»Tu das.« Ich sah ihm nach, dann schnappte ich mir ein Taxi, das gerade vor dem Hotel hielt, und gab dem Fahrer die Adresse an. Vor Elins Haus angelangt, bezahlte ich und blieb dann unentschlossen auf dem Gehsteig stehen, während ich mich fragte, ob ich eigentlich das Richtige tat.
Elin Ragnarsdottir war wirklich jemand Außergewöhnliches.
Sie war Lehrerin, aber wie die meisten Isländerinnen hatte sie zwei Jobs. Es gibt gewisse Faktoren in Island – die geringe Bevölkerungsdichte, die Größe des Landes und seine Lage in den nördlichen Breiten –, die ein soziales System bedingen, das auf Außenstehende ziemlich absurd wirkt. Aber da dieses System auf die Isländer zugeschnitten ist, läßt es die Inselbewohner völlig kalt, was die anderen denken, was ich völlig richtig finde. Ein Ergebnis dieser Sozialordnung ist, daß alle Schulen im Sommer für vier Monate schließen und einige als Hotels benutzt werden. Die Lehrer haben eine Menge Freizeit, und viele gehen einem Zweitberuf nach. Als ich Elin vor drei Jahren kennenlernte, arbeitete sie für Ferdaskrifstofaa Nordri, eine Reiseagentur in Reykjavik, und führte Touristen im Land herum. Im darauffolgenden Jahr hatte ich sie dazu überredet, den ganzen Sommer über meine persönliche Reiseführerin zu sein. Ich hatte befürchtet, daß ihr Bruder Bjarni dies vielleicht anstößig finden und Einwände erheben würde, aber nichts dergleichen geschah. Vermutlich fand er, daß seine Schwester erwachsen genug sei, um sich selbständig um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Sie war nicht anspruchsvoll, und unsere Beziehung war problemlos. Aber es lag auf der Hand, daß
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