Blitz der Hengst des Sonnengottes
Plötzlich blieb der Hengst aus eigenem Antrieb wie angewurzelt stehen. Dann warf er den Kopf zurück, und sein schrilles Wiehern hallte durch die regungslose Luft.
Alec verstand ihn sofort. Das Dorf existierte nicht mehr. Die Häuser waren zerstört, die Menschen umgekommen. Dachteile und andere Trümmer lagen überall verstreut, dazwischen Lehmziegel und Leichen. Geschwärzte Schutthaufen erhoben sich dort, wo einmal Häuser gestanden hatten, sonst gab es nur verkohlte Bäume, dachlose Mauern, gähnende Fensteröffnungen und Ruinen.
Der Rappe drehte sich in plötzlicher Panik um sich selbst, und Alec hatte Mühe, ihn dazuzubringen weiterzugehen. Er lenkte ihn in einem großen Bogen um die Ruinen herum und sprach beruhigend auf ihn ein. Das brachte auch ihn soweit zu Verstand, daß er das, was er gesehen hatte, wirklich fassen konnte — soweit das überhaupt möglich war.
»Hoffentlich kann ich jemandem berichten, was hier geschehen ist«, dachte er. »Ich wünschte, ich hätte den Menschen, die hier gewohnt haben, helfen können. Aber das geht nicht mehr, es ist vorbei, und wer weiß, was mir noch bevorsteht.«
Das Schwingen und Stoßen des Pferderückens hielt Alec bei Bewußtsein. Aber er war halb betäubt, und ihm wurde übel. Jeden Hufschlag des Rappen spürte er in seinem Schädel, als wenn sein Rückgrat mit einem Hammer in seinen Kopf geschlagen würde. Er beugte sich zur Seite und mußte erbrechen.
»Reite weiter, sonst bist du verloren«, warnte er sich selbst. »Du mußt zurückfinden, ganz gleich, was noch kommt.« Er spürte den Hengst unter sich gehen, aber er hütete sich, einen Blick zurückzuwerfen.
Zwei Stunden vergingen, die Sonne brannte, und der Ritt über den unebenen Boden war rauh. Tapfer kämpfte Alec gegen Kopfweh und Übelkeit an und versuchte, die fiebrige Schwäche abzuschütteln, die ihn langsam zu überwältigen drohte.
Und weiter ging er durch die unermeßliche Weite der Wüste, über Dünen hinweg und auf den unendlichen Horizont zu. Von der Höhe eines Hügels aus erkannte Alec die Gegend wieder. Hier in der Nähe hatte er seinen Kleinlaster mit Anhänger stehenlassen, vor — wie ihm schien — langer Zeit. Er blinzelte in die Sonnenglut und versuchte, eine Spur von seinem Fahrzeug zu entdecken. Verdammt noch mal, er fand es nicht wieder!
Rechts von ihm lag eine Mulde, die ihm bekannt vorkam. Das könnte der Platz sein, an dem er geparkt hatte. Könnte , aber war es wirklich hier gewesen? Er kniff die Augen noch mehr zusammen und bemühte sich, etwas zu erkennen. Da... da... diese Umrisse da im Sand...?
Blitz trabte auf die Mulde zu, griff immer weiter aus und spitzte die Ohren.
»Nicht so schnell«, warnte Alec sein Pferd. »Du darfst nicht deine letzten Kräfte vergeuden.«
Die Sonne sank und warf ihr schräges, rötliches Licht auf den Weg, als Alec die Fahrzeuge erreichte. Sie waren beide tief in Sand und Asche begraben. Er ritt an die unförmigen, zerbeulten Überreste des Kleinlasters heran. Bruchstücke des zusammengedrückten Pferdeanhängers daneben lagen überall verstreut.
Alec wußte, daß er dem Weg folgen mußte, der nach Süden führte. Von dort waren sie gekommen, und mit der Zeit würde er sie zur Autobahn bringen. Aber hatte er dafür noch Kraft genug? Konnte Blitz noch weiter? Und was erwartete sie am Ende des Weges? Wieder nur Tod und Zerstörung? Angesichts des Ausmaßes der Verheerungen fühlte Alec sich entsetzlich klein.
Seine Blicke kehrten zu den Überresten des Anhängers zurück. Plötzlich glitt er vom Pferd und trat näher. Auf den Knien grub er eines der Stücke, das wie ein Wegweiser im Boden steckte, aus Sand und Asche. Und während er den abgebrochenen Rest des Schildes in die Sonne hielt, las er das Wort
HOFFNUNG
Das war alles, was von »Farm der Hoffnung« übriggeblieben war, aber es genügte, um Alec neuen Mut einzuflößen. Er durfte nicht aufgeben, er mußte seinen Weg ins Leben zurückfinden, was immer es für ihn noch bereithielt.
Entschlossen erhob er sich. Der Weg vor ihm führte einen steilen Abhang hinunter in eine Ebene. Er mußte sich auf den Weg machen, bevor es dunkel wurde. Also bestieg er den Hengst und ritt weiter, nicht mehr ganz so verzweifelt. Ein leiser Hoffnungsschimmer erwachte in ihm, Hoffnung für sich und die Menschheit. Das Leben ohne seine geliebte Pam würde nie mehr das gleiche sein. Aber er hatte gelernt, daß man mit einem solchen Verlust leben konnte, wenn man sich entschloß, ihn zu
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