Blitz kehrt heim
ehemals jene. Der Nomade der Wüste ist ein Bündel Knochen, Sehnen und Muskeln. Datteln und Milch sind die Hauptbestandteile seines Küchenzettels. Wenn ein Kamel aus irgendeinem Grund getötet werden muß, ißt er jedoch auch dessen Fleisch, desgleichen das seiner Ziegen und Schafe, und, wenn ihm das Jagdglück hold war, das der erlegten Gazellen. Das für ihn in so vielen Beziehungen nützliche Kamel betrachtet der Beduine als eine besondere Gabe Allahs. Er trinkt die Milch seiner Kamelstuten, deckt sich mit Kamelfellen zu, webt aus den Haaren seiner Kamele den Stoff für sein Zelt und benutzt ihren Dung als Brennmaterial. Das Kamel ist sein ständiger Begleiter, sein Reittier und der Träger seiner Lasten.“
Alec, der voller Spannung zugehört hatte, unterbrach ihn: „Ich habe immer geglaubt, das Pferd wäre der wertvollste Besitz der Beduinen.“
„Das stimmt auch“, bestätigte Coggins lächelnd, „aber das Pferd ist sozusagen ein Luxus, dessen Ernährung und Pflege für den Wüstenbewohner oftmals ein schweres Problem bedeutet. Sein Besitz ist daher ein Zeichen von Reichtum! Im Gegensatz zu der Ansicht der meisten Menschen ist das Pferd nachweislich erst verhältnismäßig spät in Arabien eingeführt worden. Doch nachdem es einmal hier heimisch geworden war, war die Möglichkeit, sein Blut rein von jeder Vermischung zu halten, größer als anderswo. Wie wir alle wissen, ist das reingezüchtete arabische Pferd in der ganzen Welt berühmt für seine Schönheit, Ausdauer, Klugheit und Treue zu seinem Herrn. Ja, der reinblütige Araber ist sogar der Ursprung aller westlichen Vorstellungen von edler Pferdezucht.“
Vor Alecs innerem Auge stand Blitz, der riesige schwarze Hengst. „Sie haben gesagt“, warf er ein, „daß die Beduinen das Blut ihrer Pferde seit den ältesten Zeiten von jeder fremden Blutbeimischung freigehalten haben. Aber das Pferd, nach dem wir fahnden, kann kein reinblütiger Araber sein, es ist dafür viel zu groß. Halten Sie es für möglich, daß es einen Beduinenstamm geben könnte, der dennoch eine Kreuzung mit einer anderen Pferderasse vorgenommen hat, vielleicht um Pferde zu erzielen, in denen sich die Ausdauer und der Mut des Arabers mit der Schnelligkeit und Kraft einer anderen Rasse vereinen?“
„Das ist durchaus möglich, Alec“, erwiderte Coggins. „Der Beduine ist tatsächlich ein Meister in der Pferdezucht. Es wäre daher nur natürlich, daß einige von ihnen, die europäisches Vollblut kennen, versucht hätten, das sozusagen ,vollkommene 4 Pferd herauszuzüchten, besonders, da der Hauptwert des Pferdes für den Beduinen in seiner Schnelligkeit liegt, die nötig ist, wenn er auf seinen Raubzügen Erfolg haben will.“
Alec bemerkte, daß Raj unterdessen ins Zimmer gekommen war und still hinter Coggins Stuhl verharrte. Er war der Unterhaltung gefolgt, und sein sanfter Mund war schmal und hart geworden.
„Neigen die Beduinen eigentlich zu Grausamkeit?“ fragte Volence.
„Das kann man nicht sagen. Bei ihren Überfällen vergießen sie nur Blut, wenn es sich nicht vermeiden läßt. Die hauptsächlichste Ursache ihrer Konflikte ist der Kampf um Wasserstellen und Weideplätze. Dabei lassen sie allerdings nicht mit sich spaßen, denn sie sind lebenswichtig für sie.“
Henry rutschte unbehaglich auf seinem Sitz herum. „Du meine Güte!“ brummte er. „Dann müssen wir uns ja glücklich schätzen, wenn wir mit heiler Haut zurückkommen.“
Coggins entgegnete beruhigend: „Nun, so schlimm ist es nicht, Henry. Im Gegenteil, ich betrachte eure Aussichten als sehr günstig, denn ihr seid Fremde, und Fremden gegenüber sind die Beduinen meist sehr gastfreundlich, und zwar in jedem Sinne des Wortes. So rücksichtslos der Beduine seinem Feind auch gegenübertritt, das Gesetz der Freundschaft legt er loyal und großzügig aus. Gastfreundschaft ist eine seiner hervorragendsten Tugenden. Er betrachtet sie als eine heilige Pflicht. Niemals wird er jemandem das Gastrecht verweigern, das würde als eine Beleidigung seiner Ehre und als eine Sünde vor Allah gelten. Dagegen bedeutet es Tod, wenn man ihn sich zum Feinde macht, denn das Gesetz der Wüste bestimmt, daß Blut nur durch Blut zu sühnen ist. Eine Blutfehde zwischen Beduinen kann unter Umständen fünfzig Jahre und länger währen.“
Coggins hielt inne und sah nach seiner Uhr. Dann wendete er sich zu Raj um, der ihm zunickte. Daraufhin sagte er: „Im Nebenzimmer wartet ein Beduine. Ich möchte, daß ihr mit ihm
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