Blitz kehrt heim
erklärte Coggins, „die Eingeborenen nennen sie ,Ifranji‘, das ist so viel wie ‚Franken’.
Auffällig für Alec war, daß man nur sehr selten Frauen in den Straßen sah; dicht verschleiert gingen sie eilig dahin. Andere lugten aus den vergitterten Fenstern ihrer Wohnungen, als der Wagen vorbeifuhr.
Plötzlich stießen sie auf eine dichtgedrängte Menschenmenge, die um ein gewichtig aussehendes Bauwerk aus weißem Stein versammelt war. Coggins brachte den Ford zum Stehen.
„Hier könnt ihr gleich einmal den abendlichen Ruf zum Gebet miterleben“, erklärte er. „Das hier ist die Moschee, die Kirche der Mohammedaner. Der Turm steht — wie ihr seht — gesondert daneben, man nennt ihn Minarett, und von der Spitze aus ruft statt einer Glocke der Muezzin zu bestimmten Stunden des Tages die Gläubigen zum Gebet.“
Alecs Blick folgte Coggins nach oben weisendem Finger. Um die Turmspitze lief eine Galerie, auf der ein weißgekleideter Mann stand, der mit lauter Stimme sang: „Allah il Allah! Mohammedanum rasulu-’llah!“ Coggins erklärte: „Das heißt: Es gibt keinen Gott außer Allah! Und Mohammed ist sein Prophet! Kein Satz ist in Arabien häufiger zu hören als dieser. Es sind die ersten Worte, die jedes neugeborene Moslemkind zu hören bekommt, und es sind die letzten, die am Grab des Greises gesprochen werden. Fünfmal am Tage, bei Sonnenaufgang, am Mittag, am Nachmittag, bei Sonnenuntergang und, wie jetzt, am Abend werden die Worte zur gleichen Stunde von allen Minaretts in Arabien vom Muezzin als Gebet gesungen.“
Die Stimme des Muezzins betete weiter, die Gläubigen auf der Straße beteten kniend, nach Mekka gewendet, mit. Es war ein eindrucksvolles Schauspiel, die Insassen des alten Fordautos warteten schweigend das Ende der Zeremonie ab. Dann erst fuhren sie weiter und erreichten sehr bald Coggins Haus. Die der Straße zugewandte Fassade machte keinerlei Eindruck auf Alec, allein er war aufs angenehmste überrascht, als sie den reizenden Innenhof betraten. In der Mitte plätscherte zwischen einer Gruppe kleiner Orangenbäume ein großer Springbrunnen. Die Wohnräume waren in zwei Stockwerken um diesen Innenhof herum angeordnet, und der die ganze obere Etage säumende Balkon war überdacht, um die sengenden Sonnenstrahlen von den Zimmern fernzuhalten. Coggins zeigte ihnen, wo sie wohnen sollten, und sagte, das Essen würde aufgetragen werden, sobald sie sich vom Reisestaub befreit hätten.
Alec, der ein Zimmer für sich allein hatte, wusch sich mit Behagen in einem großen Becken, während eine flackernde Öllampe geisterhafte Schattengebilde an die Wände malte. Seine Gedanken wanderten nach Hause. Hier war er nun am Ausgangspunkt für die letzte, abenteuerlichste Etappe ihrer Reise angelangt! Er war um die halbe Welt gefahren, und, ach, so weit entfernt von den Eltern! Er überlegte, was sie wohl in diesem Augenblick daheim gerade tun würden und wieviel Zeit vergehen würde, ehe er sie wiedersah. Er hatte sich fest vorgenommen, zum Schulanfang wieder zurückzusein; doch wurde ihm in diesem Augenblick bewußt, wie unübersehbar die Aufgabe war, die sie sich gestellt hatten. War nicht alles wenige Wochen zuvor noch ein Traum gewesen? Jetzt war es Wirklichkeit! Aber wie würde es weitergehen? Würden sie einen zuverlässigen Führer bekommen? Würden sie Abu ben Isaaks Gebiet tatsächlich finden, und würde er Blitz wiedersehen?
Als Alec sich frisch gemacht hatte, verließ er das Zimmer. Der Klang von Stimmen führte ihn in einen großen Raum im unteren Stockwerk, in dessen Mitte ein langer, mit einer Auswahl herrlicher Früchte beladener Tisch stand. Volence und Henry waren in lebhafter Unterhaltung mit ihrem Gastgeber begriffen.
Coggins lächelte Alec bei seinem Eintritt freundlich zu: „Jetzt sind wir vollzählig beieinander und können sogleich mit dem Essen anfangen; ich kann mir vorstellen, daß du großen Hunger hast!“
Er läutete eine auf dem Tisch stehende kleine Glocke, und gleich darauf betrat ein hochgewachsener, braunhäutiger junger Araber, etwa im selben Alter wie Alec, das Zimmer. Er trug eine dampfende Schüssel mit einem Fleischgericht, die er vor dem Hausherrn auf den Tisch stellte. Dann trat er hinter dessen Stuhl. Seine lebhaften braunen Augen funkelten vor Wißbegier, betrachteten alle Anwesenden und blieben schließlich auf Alec haften.
„Das ist Raj, mein Hausboy“, erklärte Coggins, blickte über seine Schulter zurück und lächelte. „Raj, das sind meine
Weitere Kostenlose Bücher